Totaler Absturz statt totaler Fussball bei den Niederlanden

Die Niederlande drohen nach der EM 2016 auch die WM 2018 zu verpassen. Die schwachen Resultate des Nationalteams sind nur die Spitze eines Eisbergs voll Problemen.

Football Soccer - Bulgaria v Netherlands - 2018 World Cup Qualifying European Zone - Group A - Vasil Levski Stadium, Sofia, Bulgaria - 25/03/17 - Netherland's Arjen Robben reacts. REUTERS/Laszlo Balogh

(Bild: REUTERS/Laszlo Balogh)

Die Niederlande drohen nach der EM 2016 auch die WM 2018 zu verpassen. Die schwachen Resultate des Nationalteams sind nur die Spitze eines Eisbergs voll Problemen.

Auch wenn die Zahlen gegen ihn sprachen, konnte der niederländische Nationaltrainer seine Entlassung am Sonntagabend nicht nachvollziehen. «Wir waren auf einem guten Weg. Bulgarien war ein Unfall.» Mit «Bulgarien» meinte der 55-Jährige die 0:2-Niederlage in Sofia am Abend zuvor. Damit war die Niederlande in der Gruppe A der WM-Qualifikation auf den 4. Platz abgerutscht.

Nicht klar war, ob die Entlassung ausgesprochen wurde wegen der kompromittierten Ausgangslage nach der Hälfte des Pensums in der WM-Ausscheidung oder wegen der pitoyablen Leistung in Bulgarien. Wahrscheinlich wegen beidem. Denn auf einem guten Weg befand sich die Niederlande auf keinen Fall. In dieser Saison hat die «Elftal» nur zwei von sieben Spielen gewonnen. Die geschlagenen Gegner hiessen Weissrussland und Luxemburg.

Im Testspiel vom Dienstag in Amsterdam gegen Italien sitzt nun Blinds Assistent Fred Grim auf der Bank. Danach soll bis zum nächsten Spiel am 9. Juni gegen Luxemburg ein Nachfolger bestimmt sein. Als Favoriten gelten Clarence Seedorf, Frank de Boer und Blinds Vorgänger Louis van Gaal. Seedorf wurde im vergangenen Dezember beim chinesischen Zweitligisten Shenzhen FC entlassen, De Boer wenige Wochen zuvor bei Inter Mailand. Und Van Gaal erklärte im letzten Sommer eigentlich seinen Rücktritt aus dem Trainer-Business.

«Es fehlt die Qualität»

Die Experten sind sich allerdings einig, dass es nicht von allzu grosser Bedeutung ist, wer das Amt des Bondscoachs übernimmt. Das Problem liegt nicht in der Person des Trainers. Es geht tiefer, viel tiefer sogar. Captain Arjen Robben brachte es nach der Niederlage in Sofia auf den Punkt. «Es fehlt einfach an der Qualität – und das seit einigen Jahren.»

Die Aussage des Stars von Bayern München überraschte zumindest fürs erste. Denn immerhin standen die Niederlande noch 2014 in den WM-Halbfinals. Doch damals habe man unter Van Gaal «mit einer anderen Spielweise viel kaschiert», so Robben. In der Tat ebnete in Brasilien auch viel Glück den Weg zu Platz 3. Das 5:1 im Startspiel gegen Spanien war der einzige überzeugende Auftritt. In den Achtelfinals gegen Mexiko verhinderte ein umstrittener Penalty das Ausscheiden, in den Viertelfinals gegen Costa Rica setzten sich die Niederlande nach torlosen 120 Minuten im Penaltyschiessen durch.

Noch immer sind der 33-jährige Robben und der 32-jährige Wesley Sneijder die Hoffnungsträger von Oranje.

Seither kommen die Defizite ungeschönt zum Tragen. Der Umbruch, der schon vor der WM eingeleitet worden war, führte zu nichts, weil die Niederlande, an sich bekannt für ihre gute Nachwuchsarbeit in den Fussball-Schulen von Ajax Amsterdam, PSV Eindhoven oder Feyenoord Rotterdam, seit Jahren keine überdurchschnittlichen Spieler mehr herausbringt. Noch immer sind der 33-jährige Robben und der 32-jährige Wesley Sneijder die Hoffnungsträger von Oranje.

Europas Top-Klubs streben den Erfolg ohne niederländischen Support an. Neben Arjen Robben ist aus dem aktuellen 23-Mann-Kader der Niederlande nur noch Barcelonas Ersatzkeeper Jasper Cillessen bei einem Champions-League-Viertelfinalisten engagiert. Ajax Amsterdam, in Sachen Juniorenförderung noch immer der Vorzeigeklub im Land, hat zwischen den Transfers von Urby Emanuelson (zu Milan/2010) und Cillessen (Barcelona/2016) keinen einzigen Spieler an einen Champions-League-Teilnehmer verkaufen können.

Absturz auf allen Ebenen

Dies ist mehr als bloss eine Zufälligkeit. Es ist die Spitze eines Eisbergs, der für fehlenden Erfolg in der Nachwuchsförderung steht. Die U21-Nationalmannschaft der Niederlande, 2006 und 2007 noch Europameister, hat seit dem letzten Titelgewinn vor zehn Jahren vier von fünf EM-Endrunden verpasst. Eine Stufe tiefer sieht es auch nicht viel besser aus. Die U19-Auswahl hat sich seit 2007 nur für vier von zehn Endrunden qualifiziert.

Die Tendenz ist auch im Klubfussball negativ. Die «Eredivisie» war 2014 im UEFA-Ranking auf Platz 8 klassiert. Darauf folgte innerhalb von drei Jahren der Absturz auf Rang 13. Im Vergleich mit anderen mittelgrossen Verbänden schneidet der «Koninklijke Nederlandse Voetbal Bond» sowohl auf Auswahl- wie auf Klubebene schlecht ab.

Portugal ist entrückt, von Belgien wurde man überholt und selbst der Schweizer Fussball steht mittlerweile nicht mehr schlechter da. Mittelfeldstratege Kevin Strootman von der AS Roma fasste die Situation nach der Rückkehr aus Bulgarien kurz und bündig zusammen: «Das ist Holland unwürdig. Es ist dramatisch.»

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