Nachdem vor der australischen Westküste seit September bereits fünf Menschen durch Haiattacken gestorben sind, wird nun über eine Aufhebung des Artenschutzes debattiert. Dabei geben Experten Entwarnung: Durch Haie kommen deutlich weniger Menschen ums Leben als durch andere Tiere – etwa Quallen.
50 bis 100 Haiattacken mit durchschnittlich zehn Todesopfern zählt die International Shark Attack File, die wichtigste Datenbank für Haiangriffe, jedes Jahr. „Quallen töten aber jedes Jahr rund hundert Menschen“, sagt der Leiter des ozeanographischen Instituts von Monaco, Robert Calcagno, zur Nachrichtenagentur afp.
Den Statistiken zufolge sterben an Schlangenbissen pro Jahr 100’000 Menschen, Skorpione sind für 5000 Todesfälle verantwortlich und Elefanten töten jährlich 600 Menschen. Doch Haiangriffe, von denen es heute doppelt so viele gibt wie noch in den 80er Jahren, werden mit besonderer Aufmerksamkeit registriert. Hauptsächlich drei Haiarten sind es, die Menschen attackieren: der berühmte Weisse Hai, der Tigerhai und der Bullenhai.
Im Ferienparadies La Réunion vor der ostafrikanischen Küste, kam es im vergangenen Jahr zu zahlreichen Attacken. Zuletzt starb im Juli ein junger Surfer. Am Montag gaben nun die Behörden aus „wissenschaftlichen Gründen“ rund zwanzig Bullen- und Tigerhaie zum Fang frei.
Experten sehen in der zunehmenden Begeisterung für Wassersportarten wie Surfen einen möglichen Grund dafür, dass die Angriffe der Meerestiere weltweit zunehmen. Durch die Überfischung der Meere könnten die Haie zudem zur Nahrungssuche in Gebiete vordringen, in denen sie bisher nicht vorkamen.
Hai-Bestand schrumpft
Dabei geht der Hai-Bestand weltweit zurück: 30 bis 70 Millionen Tiere werden jedes Jahr gefangen – vor allem, um die Nachfrage in Asien zu befriedigen. Dort gelten die Haiflossen als Aphrodisiakum. Einige Arten sind sogar vom Aussterben bedroht, was wiederum die Unterwasserwelt aus dem Gleichgewicht zu bringen droht.
„Die Haie sind unerlässlich für das Ökosystem der Meere“, sagt Philippe Vallette, Leiter des Meeresmuseums Nausicaa im französischen Boulogne-sur-mer. „Wenn sie aussterben, fehlen die grössten Meeresräuber, die wiederum die kleineren Räuber unter ihnen fressen“, erläutert der Meeresforscher.
Wenig Wissen über Verhalten
Um den Menschen die Angst vor den Haien zu nehmen, schlägt Vallette vor, das Verhalten der Tiere erst einmal näher zu erforschen. Auch die Surfer müssten besser darüber informiert werden, welche Tageszeiten oder Wassertrübungen sie besser meiden sollten.
„Man muss vernünftiger sein und lernen, mit der Natur umzugehen“, fordert Catherine Vadon, Dozentin am Naturhistorischen Museum in Paris. Die Meeresforscherin bedauert, dass die Behörden von La Réunion als Reaktion auf die Haiattacken zwanzig Tiere „ausrotten“ wollen.