Xherdan Shaqiri führt die Schweiz mit einer veritablen WM-Gala in den Achtelfinal gegen Argentinien. Der Bayern-Jungstar markiert beim diskussionslosen 3:0 gegen Honduras sämtliche Treffer.
Die Reaktion der Schweizer auf ihren kollektiven Absturz gegen «Les Bleus» fiel generell sehr überzeugend aus – und einer, der von sich selber behauptete, «gleich wie alle anderen zu sein», hob sich eindrücklich ab: Shaqiri, der nach dezenten Leistungen schlagartig in den Mittelpunkt der «Copa» stürmte – drei Treffer innerhalb von 90 Minuten waren bislang weder Neymar noch Messi gelungen.
Als der nicht nur in jenem Moment brillante Rückkehrer Josip Drmic in der 71. Minute abermals zu einem unwiderstehlichen Dribbling ansetzte und den Ball perfekt auflegte, bewegte sich Shaqiri wieder goldrichtig. Spätestens nach seinem 3:0 zeichnete sich ab, dass sich die Schweizer von Ecuador im fernen Rio (0:0 gegen Frankreich) kaum mehr in letzter Minute abfangen lassen würden.
Nur ein paar Schrecksekunden hatten die vereinzelt unkonzentrierten Schweizer am Ende noch zu überstehen. Diego Benaglio bereinigte die wenigen Aussetzer seiner Mitspieler aber mit mehreren «Big Saves». Er und Shaqiri, der legitime Nachfolger der FCB-Kultfigur Seppe Hügi (drei Tore in einer Partie an der WM 1954), ebneten der SFV-Auswahl den Weg zum Achtelfinal gegen Argentinien.
Aus Schweizer Optik kommt das Duell mit dem zweifachen Weltmeister am nächsten Dienstag in São Paulo einer Traum-Affiche gleich. Den erstmaligen Vorstoss unter die Top 16 seit der Endrunde vor acht Jahren haben sich die Schweizer verdient. Im Gegensatz zu Italien und England, die ebenfalls in Manaus anzutreten hatten, überstanden sie den Trip in die Dschungel-Destination unbeschadet.
Shaqiris grossartige Antwort
Speziell beim 2:5 gegen Frankreich hatte Xherdan Shaqiri Angriffsfläche geboten. Nicht nur externen Beobachtern war die teils negative Körpersprache des Bayern-Professionals missfallen, sein Lamento auf dem Platz kam auch innerhalb der Equipe nicht sonderlich gut an. Zwei Tage vor dem Duell mit Honduras setzte der 22-Jährige zur Selbstverteidigung an und wehrte sich dagegen, «alle Spiele im Alleingang entscheiden zu müssen».
Es war wohl seine Art, den öffentlichen Druck etwas zu lindern. Die beste Antwort an die Adresse seiner Kritiker hob sich der Jungstar für das Spiel gegen Honduras auf. Auf dem Rasen entfaltete er sich, wie er das wohl immer vorhatte, und wie es nicht nur Ottmar Hitzfeld von ihm verlangt – der mit Abstand talentierteste Schweizer Fussballer erzwang dank seiner Raffinesse, dank seinem Instinkt, im richtigen Moment etwas zu riskieren, schon früh den deutlichen Unterschied.
Einen ersten Querpass von Drmic verwertete Shaqiri in der 3. Minute nicht. Es spricht für sein Selbstverständnis, dass ihn jene missratene Aktion überhaupt nicht verunsicherte. Im Gegenteil: 180 Sekunden später zirkelte er den Ball im Stil von Lionel Messi ins die hohe Ecke. Mit einer einzigen Aktion verdeutlichte Shaqiri, weshalb sie die Geduld in München auch nach zwei Jahren mit einigen «Ups and Downs» nicht verloren haben.
Das 1:0 der Schweizer wird an der diesjährigen Endrunde ganz bestimmt unter den Top 5 der WM-Traumtore figurieren. Aber weitaus wichtiger als der optische Glanz des Treffers war der Effekt. Der frühe Vorteil wirkte enthemmend. Hitzfelds Equipe drehte auf, erspielte sich sofort weitere Möglichkeiten. Zum befürchteten zähen Abnützungskampf kam es erst gar nicht, weil die SFV-Offensive den limitierten Konkurrenten vorwiegend in der gegnerischen Platzhälfte beschäftigte.
Und weil «Shaq» nach einer knappen halben Stunde erneut nicht zu stoppen war und eine Vorlage Drmics solo ohne das geringste Problem verwertete, erreichte der Favorit ein erstes Ziel vorzeitig – den perfekten Start und ein Ergebnis, das bei drückendem Treibhausklima in der Schlussphase keinen Sondereffort mehr nötig machte.
Gute Umstellung
Hitzfelds Schachzug, Shaqiri erstmals in Brasilien von Beginn weg ins Zentrum zu rücken, zahlte sich aus. Er versorgte das Team auf der Position des Regisseurs mit bedeutend mehr Inputs als Xhaka in den Spielen zuvor. Der «Gladbacher» wich zur Seite aus, wo er in der Vorwärtsbewegung zwar kaum Akzente setzte, sich aber ausnahmslos und leidenschaftlich in den Dienst der Mannschaft stellte.
Die dritte Umstellung im Zentrum der Abwehr – der Basler Schär verdrängte Senderos – fiel zunächst nicht ins Gewicht, weil Honduras während den ersten 45 Minuten im Angriff praktisch nicht existierte. Erst als sie ihr Performance erhöhten, offenbarten die Schweizer in ihrer eigenen Zone abermals einige «Wackler». Stilsicher ist die Innenverteidigung nach wie vor nicht.
Wie einfach die Schweizer in der Vorrunde zum Teil auszuspielen waren, demonstrierten die Zentralamerikaner kurz nach der Pause. Jerry Bengtson, der Stürmer aus der Major Soccer League, einer der wenigen Honduraner mit internationaler Klasse, trickste alle aus, ehe Rodriguez den Ball Zentimeter vor der Torlinie entschärfte.
Bei einer weiteren prekären Situation übersah der in jeglicher Beziehung überaus grosszügige argentinische Schiedsrichter Nestor Pitana im Strafraum der Schweizer einen Rempler Djourous. Jerry Palacios stürzte, der Penaltypfiff blieb aus.
Starke Bilanz gegen die Latinos
Bemerkenswert ist neben dem Resultat ein weiterer Fakt. Ausgerechnet an der WM in Südamerika, die sich immer mehr zur «Copa América» wandelt, stoppten die Schweizer gleich zwei Vertreter der starken lateinamerikanischen Fraktion. Sieben von zehn Teams aus dieser Zone erreichten die Achtelfinals – die USA sind auf Achtelfinal-Kurs, nur zwei überstanden den Cut nicht: Ecuador und Honduras!
Honduras – Schweiz 0:3 (0:2)
Arena da Amazonia, Manaus. – 40’322 Zuschauer. – SR Pitana (Arg). – Tore: 6. Shaqiri (Lichtsteiner) 0:1. 31. Shaqiri (Drmic) 0:2. 71. Shaqiri (Drmic) 0:3.
Honduras: Valladares; Beckeles, Bernardez, Figueroa, Juan Carlos Garcia; Boniek Garcia (76. Najar), Claros, Wilson Palacios, Espinoza (46. Chavez); Costly (40. Jerry Palacios); Bengtson.
Schweiz: Benaglio; Lichtsteiner, Schär, Djourou, Rodriguez; Behrami, Inler; Xhaka (76. Lang), Shaqiri (87. Dzemaili), Mehmedi; Drmic (73. Seferovic).
Bemerkungen: Schweiz ohne von Bergen (verletzt/abgereist). Schweizer Ersatzspieler: Sommer, Bürki, Ziegler, Senderos, Barnetta, Stocker, Fernandes, Gavranovic. Verwarnung: 65. Jerry Palacios (Reklamieren).