Trotz des Besuchs von US-Aussenminister Rex Tillerson in Moskau sind die Fronten zwischen den USA und Russland verhärtet. Washington fordert eine Abwendung Moskaus vom syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und beschuldigt Damaskus eines Giftgaseinsatzes.
Der mutmassliche Einsatz von Chemiewaffen in Syrien gegen Rebellen sei ein Thema, bei dem sich die Positionen Russlands und der USA unterscheiden, sagte der russische Aussenminister Sergej Lawrow am Mittwoch in Moskau diplomatisch vor den Medien. Tillerson sagte, die USA seien überzeugt, dass die syrische Regierung rund 50 Mal Chemiewaffen eingesetzt habe.
Zugleich betonten beide Seiten nach mehrstündigen Gesprächen – auch mit Präsident Wladimir Putin – ihre Bereitschaft zu einer Normalisierung der Beziehungen.
Es war der erste Besuch eines US-Regierungsmitglieds seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump. Die Reise wurde vom Giftgaseinsatz in Syrien und dem US-Angriff auf eine syrische Militärbasis vergangene Woche überschattet.
Lawrow betonte, Russland und die USA seien sich einig, den Giftgaseinsatz von unabhängiger Seite untersuchen zu lassen. Es müsse Klarheit darüber hergestellt werden, wer dafür verantwortlich sei.
Russisches Veto im UNO-Sicherheitsrat
Fast zeitgleich blockierte Russland zum achten Mal seit Beginn des Bürgerkrieges mit einem Veto eine Syrien-Resolution im UNO-Sicherheitsrat in New York.
Der von Grossbritannien, Frankreich und den USA vorgelegte Entwurf hätte den Giftgasangriff auf das Schärfste verurteilt und die syrische Regierung verpflichtet, internationalen Ermittlern Zugang zu gewähren.
Auch im Streit um die Rolle des syrischen Präsidenten Assad wurde die Kluft zwischen Moskau und Washington sichtbar. Russland ist einer der engsten Verbündeten Assads.
US-Präsident Donald Trump bezeichnete Assad in einem Interview als «Tier». Er bezog sich dabei auf Assads Rolle im Syrien-Krieg und seine Verantwortung für getötete oder verstümmelte Kinder.
Tillerson sagte in Moskau: «Unsere Sicht ist klar, dass die Herrschaft der Assad-Familie zu Ende geht.» Russland als enger Verbündeter Syriens habe eine besondere Rolle darin, dies der Assad-Familie klarzumachen.
Lawrow erteilte dem eine klare Absage: «Experimente solcher Art, die irgendeinen Diktator, totalitären oder autokratischen Führer stürzen wollen, kennen wir schon. An positive Beispiele, bei denen ein Diktator gestürzt wurde und alles wie am Schnürchen lief, kann ich mich nicht erinnern», meinte er.
Beziehungen auf dem Tiefpunkt
Die Beziehungen zwischen Russland und den USA sind nach Darstellung Moskaus auf einem Tiefpunkt seit dem Ende des Kalten Krieges. Seit Trumps Amtsantritt hat sich das Verhältnis zwischen Moskau und Washington nach den Worten von Präsident Putin drastisch verschlechtert.
«Man kann sagen, dass das Vertrauensniveau auf Arbeitsebene nicht besser geworden ist, sondern eher schlechter, vor allem auf militärischer Ebene», sagte Putin dem Fernsehsender Mir.
Auch Tillerson erklärte nach seinem rund zweistündigen Treffen mit Putin, die amerikanisch-russischen Beziehungen seien derzeit auf einem Tiefpunkt angelangt. Dies müsse geändert werden. Die zwei wichtigsten Atommächte der Welt könnten nicht auf dieser Basis miteinander umgehen.
Trump beschrieb die Beziehungen am Mittwoch ebenfalls als verhärtet. «Im Moment kommen wir überhaupt nicht mit Russland aus», sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg.
Auf die Frage, ob er glaube, dass die syrische Regierung den mutmasslichen Giftgasangriff ohne das Wissen Russlands ausgeführt habe, äusserte sich Trump nicht eindeutig. «Ich denke, es ist durchaus möglich. Ich denke, es ist vermutlich unwahrscheinlich.»
Stoltenberg machte bei der Pressekonferenz deutlich, dass das Militärbündnis an seiner Doppelstrategie gegenüber Russland festhalten werde. Einerseits stärke man gerade die Militärpräsenz an der Ostflanke, andererseits wolle man den Dialog mit Moskau nicht abreissen lassen, sagte er.
Perspektiven zum Dialog
Der russische Aussenminister Lawrow sagte es gebe in den Beziehungen viele Probleme, aber auch «nicht wenige Perspektiven» zum Dialog. «Wir sind Realisten, wir verstehen, dass ernsthafte Anstrengungen für eine Überwindung dieser Barrieren nötig sind», sagte Lawrow.
Demonstrativ hat Moskau für diesen Freitag ein Aussenministertreffen mit seinen Verbündeten Syrien und dem Iran einberufen. Und schon an diesem Donnerstag will sich Lawrow mit seinem syrischen Amtskollegen beraten.