Die oppositionellen Sozialdemokraten haben bei den Parlamentswahlen in Tschechien die meisten Stimmen geholt, müssen aber um die erhoffte Regierungsbildung bangen. Gemäss dem vorläufigen amtlichen Endergebnis vom Samstag erhielt die CSSD 20,5 Prozent der Stimmen.
Unmittelbar dahinter folgt die überraschend starke Partei ANO des populistischen Milliardärs Andrej Babis mit 18,7 Prozent. Drittstärkste Kraft wurde die kommunistische Partei KSCM mit 14,9 Prozent. In den letzten Umfragen vor der Wahl hatte sie noch auf dem zweiten Platz gelegen.
Die vom CSSD-Vorsitzenden Bohuslav Sobotka anvisierte Minderheitsregierung unter Tolerierung durch die Kommunisten würde insgesamt nur über 83 der 200 Parlamentssitze verfügen und hätte demnach keine Mehrheit.
Die konservative ODS des früheren Ministerpräsidenten Petr Necas wurde abgestraft, sie erhielt nur noch 7,7 Prozent der Stimmen. Necas war im Sommer über eine Bespitzelungs- und Korruptionsaffäre gestürzt. Der Vorwurf lautete, seine Geliebte habe Necas‘ damalige Ehefrau vom Geheimdienst überwachen lassen.
Die konservative TOP09 des ehemaligen Aussenministers Karel Schwarzenberg erzielte zwölf Prozent der Stimmen. Mit 6,9 beziehungsweise 6,8 Prozent gelang auch der populistischen Partei Usvit und der christdemokratischen KDU-CSL der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde.
Niedrige Wahlbeteiligung
Die Wahlbeteiligung lag bei rund 59,5 Prozent und war damit noch niedriger als im Jahr 2010. Damals hatten rund 63 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben.
«Das Ergebnis mag nicht das sein, was wir uns vorgestellt haben, aber wir haben von allen Parteien die grösste Zustimmung», sagte der 42-jährige Sobotka vor den Medien. Er sei bereit, mit allen Parteien Koalitionsgespräche zu führen.
Als mögliche Regierung gilt nun eine Koalition von CSSD und KDU-CSL unter Tolerierung der ANO, doch deren Gründer Babis gab sich skeptisch. «Wenn ich mir deren Programm anschaue, kann ich mir nur schwer eine Zusammenarbeit mit der CSSD vorstellen», sagte der Unternehmer.
Die künftige Regierung ersetzt ein von Staatspräsident Milos Zeman eingesetztes Expertengremium unter Leitung des Ökonomen Jiri Rusnok, das die Regierungsgeschäfte vorübergehend übernommen hatte. Rusnok könnte noch bis Ende des Jahres im Amt bleiben, um dem neuen Parlament ausreichend Zeit für die schwierige Suche nach einer Regierungsmehrheit zu gewähren.
Geschwächter Präsident Zeman
Präsident Zeman gilt nach der Wahl als geschwächter Vermittler. Seine linke Partei SPOZ scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde. Selbst baldige Neuwahlen galten unmittelbar nach der Wahl als möglich: «Das Wahlergebnis ist tragisch, im Frühjahr könnte ein neuer Wahlgang stattfinden», sagte der Chef der ebenfalls an der Fünf-Prozent-Hürde gescheiterten Grünen, Ondrej Liska.
«Hätten die Wahlen gleich nach dem Sturz von Necas‘ Regierung stattgefunden, hätte die CSSD deutlich besser abgeschnitten», sagte der sozialdemokratische Senatschef Milan Stech am Samstag dem Fernsehsender CT-24. Die letzten Wochen hätten der ANO in die Hände gespielt. Stech bezeichnete die erst 2011 gegründete Partei als eine «anti-politische Bewegung».
Milliardär und Populist Babis
ANO-Gründer Babis ist Eigentümer des grössten Nahrungsmittelkonzerns und des zweitgrössten Chemiekonzerns des Landes sowie Besitzer einer einflussreichen Mediengruppe. Mit seiner scharfen Kritik an den etablierten Parteien sicherte sich der zweitreichste Mann Tschechiens offenbar grossen Zuspruch bei den Wählern.