In einem Fernseh-Interview am Dienstagabend hat der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras den Schuldenkompromiss mit den Euro-Partnern verteidigt. Den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble griff er frontal an.
Schäuble habe einen Plan für das Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro gehabt. Dies sei ihm aber nicht gelungen. «Dieses Europa gehört nicht Herrn Schäuble», sagte Tsipras.
Die Vereinbarung mit den Euro-Ländern sei Griechenland zwar aufgezwungen worden, doch habe sie das Land vor dem Ausscheiden aus dem Euro bewahrt. Er übernehme die volle Verantwortung dafür, dass er einen Text unterschrieben habe, «an den ich nicht glaube, den ich aber verpflichtet bin umzusetzen», sagte Tsipras.
Er habe gegen die Kürzung von Löhnen und Renten gekämpft. Die in der Vereinbarung vorgesehenen Haushaltsanpassungen seien milder ausgefallen als in der Vergangenheit. Tsipras kündigte ausserdem an, er wolle die volle vierjährige Amtszeit ausüben. Neuwahlen lehnte er ab.
Die griechische Regierung steht nach dem Reformkompromiss mit der Euro-Zone vor der Zerreissprobe. Der Junior-Koalitionspartner «Unabhängige Griechen» (ANEL) kündigte an, nicht alles mitzutragen. Ein erstes Gesetzesbündel steht am Mittwoch im Parlament zur Abstimmung.
Wegen schwerer Verwerfungen in Tsipras‘ Syriza-Partei wurde nach der Parlamentsabstimmung eine Regierungsumbildung erwartet. In griechischen Zeitungen wurde auch über eine Übergangsregierung aus Experten bis zu möglichen Neuwahlen im Herbst spekuliert.
Mehrheit im Parlament dank Opposition
Sollte Tsipras für die Abstimmung im Parlament keine eigene Mehrheit zusammenbringen, dürfte das Parlament die Reformen trotzdem beschliessen – mit Stimmen aus der Opposition. Die links-liberale Partei To Potami kündigte Unterstützung an. Sie verfügt über 17 Mandate. Er rechne mit rund 250 Ja-Stimmen, sagte To-Potami-Chef Stavros Theodorakis. Das Parlament hat 300 Sitze.
Bereits bei der Abstimmung über sein Verhandlungsmandat vor dem Euro-Gipfel hatte Tsipras nur mit Hilfe der Opposition eine Mehrheit erhalten. In seiner Syriza-Partei bleibt der linksradikale Flügel auf Konfrontation zu den Gläubigern. Syriza hat 149, der national-konservative rechtspopulistische Junior-Koalitionspartner ANEL 13.
Nach sechs Jahren Rezession war Tsipras‘ Koalition Ende Januar mit dem Versprechen angetreten, den Bürgern keine neuen Lasten mehr zuzumuten. Genau das muss Tsipras nun aber tun, um einen Staatsbankrott zu verhindern. Aus Protest dagegen haben die Angestellten im öffentlichen Dienst einen 24-stündigen Streik für Mittwoch angekündigt.
Weniger Geld aus Brüssel
Der jüngste Kompromiss mit der Euro-Zone sieht unter anderem eine Reform der Mehrwertsteuer und des Rentensystems vor. Am Ende muss der Gesamtkompromiss vom Parlament anerkannt werden. Erst danach können Gespräche über ein neues Hilfspaket beginnen, von welchem sich Athen bis zu 86 Milliarden Euro erhofft.
Ein EU-Vertreter in Brüssel dämpfte allerdings die griechischen Erwartungen: Das Paket des Euro-Rettungsfonds ESM müsse «40 bis 50 Milliarden Euro» abdecken, sagte er am Dienstag. Die EU-Finanzminister suchten unterdessen weiter nach einer Zwischenfinanzierung bis zum Start des Hilfsprogramms.
Schäuble: Grexit auf Zeit
Der deutsche Finanzminister Schäuble warnte vor «aussergewöhnlich schwierigen» Verhandlungen. Und er befeuerte erneut die Debatte über einen «Grexit auf Zeit». Einigen in der deutschen Regierung wäre dies lieber gewesen als neue Darlehen, sagte er in Brüssel.
In den Verhandlungen hatte Schäuble als Alternative einen fünfjährigen Euro-Ausstieg Griechenlands auf eigenen Wunsch und eine Schuldenrestrukturierung ins Spiel gebracht.
Nach Angaben aus Regierungskreisen hat Schäuble auch die Ausgabe von Schuldscheinen für Zahlungsverpflichtungen im Inland vorgeschlagen, um damit Renten, Rechnungen und Löhne zu zahlen. Mit dadurch gesparten Euro würden dann griechische Auslandsschulden beglichen.
IWF warnt vor wachsendem Schuldenberg
Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte in einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Papier, wegen der nicht umgesetzten Reformen und der Schliessung der Banken seien die griechischen Schulden mittlerweile «in höchstem Masse unhaltbar» geworden.
Nach Berechnungen des IWF klettert der Schuldenberg Griechenlands bis Ende 2018 auf fast 200 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP). Vor zwei Wochen war der IWF noch von einem Schuldenstand von 142 Prozent des BIP im Jahr 2022 ausgegangen, nun erwartet er 170 Prozent. Um die Schulden tragfähig zu machen, müssten alle Hilfskredite auf mindestens 30 Jahre gestreckt werden.
Wie leer die Kassen Griechenlands sind, zeigte auch, dass es erneut eine Rückzahlung an den IWF von 456 Millionen Euro nicht leisten konnte. Ende Juli war eine Überweisung von 1,6 Milliarden Euro geplatzt. Am Montag ist eine Zahlung an die Europäische Zentralbank (EZB) von 3,5 Milliarden Euro fällig.
Die Euro-Zone schätzt den kurzfristigen Finanzbedarf Athens bis Mitte August auf zwölf Milliarden Euro. Weil die Gespräche über das Hilfsprogramm länger dauern dürften, wird nach einer Brückenfinanzierung gesucht. Das Nicht-Euro-Land Grossbritannien schloss bereits jegliche Beteiligung an einer solchen Brückenfinanzierung aus.