Tsipras, was nun?

Mit der Verabschiedung der Spargesetze macht das griechische Parlament den Weg frei für ein drittes Rettungspaket. Aber das Sparprogramm treibt einen Keil in die Regierungspartei Syriza. Ein Kommentar.

Der griechische Premierminister Alexis Tsipras im Athener Parlament am 16. Juli 2015.

(Bild: ALKIS KONSTANTINIDIS)

Mit der Verabschiedung der Spargesetze macht das griechische Parlament den Weg frei für ein drittes Rettungspaket. Aber das Sparprogramm treibt einen Keil in die Regierungspartei Syriza.

229 Ja-Stimmen – noch nie seit Beginn der Krise gab es im griechischen Parlament eine so breite Mehrheit für ein Spar- und Reformprogramm. Auch die Griechen stehen mehrheitlich dahinter. Laut einer aktuellen Umfrage stimmen 51,5 Prozent der Bevölkerung den Maßnahmen zu. Die sind zwar schmerzhaft – die Griechen müssen höhere Steuern zahlen und für ihre Rente länger arbeiten. Aber insgeheim wissen die meisten Menschen: Das Land braucht Reformen, wenn es wettbewerbsfähig werden will.

Beim Linksbündnis Syriza hat sich diese Erkenntnis allerdings noch nicht durchgesetzt. Hätte sich Premier Alexis Tsipras allein auf die Stimmen seiner eigenen Fraktion verlassen, wäre das Paket durchgefallen. Dass es verabschiedet wurde, hat der Regierungschef der Unterstützung von drei Oppositionsparteien zu verdanken. Tsipras hat seine Regierungsmehrheit erneut verfehlt – wie schon bei der Abstimmung über das Verhandlungsmandat am vergangenen Samstag. Das Sparprogramm treibt einen tiefen Keil in Tsipras‘ Partei.

«Kein gutes Programm»

Tsipras selbst sagt, was er vom Euro-Sondergipfel in Brüssel mitgebracht habe, sei «kein gutes Programm». Er habe ein Papier unterschreiben müssen, «an das ich nicht glaube». Aber er habe keine Wahl gehabt. Die Alternative sei der Verlust des Euro für sein Land gewesen. Wenige Stunden vor der Abstimmung erklärte er seinen Abgeordneten, er habe «alle Verhandlungsmöglichkeiten und jede denkbare Lösung ausgeschöpft».

Dass er selbst sein Land in diese ausweglose Lage gebracht hat, dass er fünf Monate lang lavierte, pokerte und zauderte, dass er damit die Wirtschaft zurück in die Rezession stürzte und das Bankensystem an den Rand des Zusammenbruchs führte, statt gleich nach seiner Wahl im Februar ein Rettungsprogramm auszuhandeln, das viel weniger schmerzhaft ausgefallen wäre – all das sagte Tsipras nicht. Vor dieser bitteren Wahrheit verschließt er weiter die Augen.

Neuwahlen im Herbst?

Was nun? Das am Donnerstagfrüh gebilligte Sparpaket war nur der erste Schritt. Damit öffnet sich die Tür zu Verhandlungen über die Details eines dritten Rettungsprogramms. Weitere, nicht weniger schmerzhafte Einschnitte werden folgen. Auch bei künftigen Abstimmungen kann sich Tsipras nicht auf seine eigene Fraktion verlassen. Er könnte versuchen, an der Spitze einer Minderheitsregierung weiterzumachen, gestützt von Fall zu Fall auf die Duldung oder Zustimmung der Opposition. Problematischer noch: Tsipras muss jetzt Reformen und Sparmaßnahmen umsetzen, an die er nach eigener Aussage gar nicht glaubt. Entschlossene Führung und politische Stabilität sehen anders aus.

Früher oder später wird Tsipras Zuflucht zu Neuwahlen nehmen, möglicherweise schon in diesem Herbst. Der Wahlkampf wird das Krisenland erneut über Wochen lähmen. Über den Ausgang eines vorgezogenen Urnengangs kann man heute nicht einmal spekulieren. Zu ungewiss sind die Auswirkungen des Sparkurses auf die wirtschaftliche Entwicklung und die Veränderungen in der Parteienlandschaft, die sich in den kommenden Monaten ergeben könnten. Eine Prognose aber darf man wagen: Syriza wird an diesem Reformprogramm zerbrechen. Das Experiment einer Linksregierung in Griechenland ist gescheitert.

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