Als Vergeltung für den Selbstmordanschlag in Istanbul hat die Türkei einen Grossangriff auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Irak und in Syrien gemeldet. Ankara sprach von 200 getöteten IS-Kämpfern. An diesen Angaben gab es Zweifel.
Bei dem Panzer- und Artilleriebeschuss auf die Dschihadisten in den Nachbarländern Irak und Syrien seien rund 200 IS-Kämpfer getötet worden, sagte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag.
Die Angriffe seien als Reaktion auf den «niederträchtigen Anschlag» erfolgt. Die Armee habe fast 500 Geschosse abgefeuert. Der Kampf werde fortgesetzt, bis die Miliz «vollständig von der türkischen Grenze abrückt». Weder in Syrien noch im Irak wurde aber ein so massiver Angriff mit so vielen Toten bestätigt.
Am Dienstag hatte ein Selbstmordattentäter in Istanbul zehn Deutsche mit in den Tod gerissen. Die türkische Regierung macht den IS für die Tat verantwortlich, der sich allerdings nicht dazu bekannt hat.
Beobachtungsstelle: Keine hohen Verluste
Die als zuverlässig geltende Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, türkische Artillerie habe nahe der Grenze den syrischen Ort Ghasal und andere Dörfer beschossen. Damit habe sie islamistische Rebellen und turkmenische Gruppen im Kampf gegen den IS unterstützt, sagte der Leiter der Menschenrechtsbeobachter, Rami Abdelrahman, der Nachrichtenagentur dpa. Hohe Verluste aufseiten der Extremisten habe es nicht gegeben.
Die dem IS nahestehende Nachrichtenagentur Al-Amak meldete, die türkische Armee habe Ghasal mit zehn Granaten beschossen, nachdem der Ort vom IS eingenommen worden sei.
Aus dem Nordirak lagen keine Informationen über türkische Angriffe vor. Der Sprecher des kurdischen Peschmerga-Ministeriums, Halgurd Hikmat, sagte, es habe im Nordirak keine türkischen Angriffe geben.
Sieben Festnahmen
Nach dem Anschlag auf die deutsche Reisegruppe im Altstadtviertel Sultanahmet nahm die türkische Polizei nach Regierungsangaben zwei weitere Verdächtige fest. Damit steige die Gesamtzahl der Festnahmen auf sieben, sagte Innenminister Efkan Ala.
Beim Selbstmordattentäter soll es sich um einen 27-jährigen Syrer handeln. Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière sagte nach einem Besuch in Istanbul, die Identität des Attentäters stehe noch nicht endgültig fest.
«Man hat diesen Mann insoweit identifiziert, dass es ein Personaldokument gibt, aber ob dieses Personaldokument zu diesem Mann gehört, ist alles noch Gegenstand der Aufklärung», sagte de Maizière am Mittwochabend den ARD-«Tagesthemen». Davutoglu hatte dagegen gesagt, der Attentäter habe dem IS angehört und sei unter anderem durch Fingerabdrücke identifiziert worden.
Die Regierung hatte nach dem Anschlag angekündigt, die Sicherheitsvorkehrungen in Istanbul zu verschärfen. Im Bezirk Sultanahmet waren deutlich mehr Polizisten im Einsatz als gewöhnlich. Am Ort des Attentats wurde der Opfer gedacht. In Deutschland gab es in mehreren Regionen Trauerbeflaggung.