Die Türkei wird am 16. April in einem Referendum über die umstrittene Verfassungsreform zur Einführung eines Präsidialsystems abstimmen. Dies soll Präsident Recep Tayyip Erdogan zu mehr Macht verhelfen.
Erdogan unterzeichnete am Freitag die Verfassungsänderung zur Stärkung seiner Macht, womit der Weg für das Referendum frei ist. Er verknüpfte eine Zustimmung zur Verfassungsänderung auch gleich mit der Todesstrafe. «So Gott will, wird der 16. April ein Signal für diese Sache sein», sagte Erdogan zu Rufen nach der Wiedereinführung der Todesstrafe bei einem Auftritt in Istanbul am Freitag.
Die aus 18 Artikeln bestehende Verfassungsänderung war Ende Januar mit den Stimmen der regierenden AKP und der ultrarechten MHP vom Parlament gebilligt worden. Die Debatten über die tiefgreifende Reform, mit der die Befugnisse des Präsidenten erheblich ausgeweitet werden sollen, waren von heftigen Wortgefechten und Rangeleien im Plenum geprägt.
Nachdem die 18 Artikel im Eilverfahren durch das Parlament getrieben worden waren, dauerte es zwei Wochen, bevor der Text vom Parlament an Erdogan überwiesen und von ihm unterzeichnet wurde. Offenbar wollte der Präsident damit den Termin für das Referendum hinauszögern, so dass es in eine Zeit fällt, da die Wetterbedingungen für eine Abstimmung günstiger sind.
Reform spaltet Politik und Gesellschaft
Die Reform spaltet die türkische Politik und Gesellschaft: Während die Parteien AKP und MHP sie unterstützen, lehnen die säkulare, kemalistische CHP und die prokurdische HDP sie entschieden ab. Allerdings gibt es auch unter Politikern und Wählern der AKP und MHP Vorbehalte. Bei dem Referendum wird mit einem knappen Ausgang gerechnet, verlässliche Umfragen gibt es kaum.
«Alle – jene, die Ja sagen, und jene, die Nein sagen – werden ihre Meinung äussern können», sagte Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus. Demnach soll die Kampagne für das Referendum offiziell am 25. Februar beginnen. Erdogan und die AKP planen dutzende Kundgebungen im ganzen Land. Schon jetzt wird in den Medien heftig über die Verfassungsänderung diskutiert.
Opposition befürchtet Ein-Mann-Herrschaft
Nach Darstellung der AKP sind die Änderungen notwendig, um eine starke Exekutive zu schaffen, die allein fähig sei, Stabilität und Sicherheit im Land zu garantieren. Die Opposition dagegen warnt, dass mit der Reform eine autoritäre Ein-Mann-Herrschaft geschaffen, das Parlament geschwächt, die Demokratie ausgehöhlt und die Gewaltenteilung untergraben werde.
«Nun werden wir die Macht vom Parlament nehmen und einem einzelnen Mann geben», sagte der CHP-Vorsitzende Kemal Kilicdaroglu am Freitag in einer im Fernsehen übertragenen Rede. «Kann man die Türkei in ein Abenteuer mit offenen Ausgang stürzen? Haben wir die Republik hierzu gegründet?», fragte der Oppositionsführer.
Neben der CHP will auch die HDP eine Kampagne gegen die Reform führen. Allerdings sind die beiden Parteivorsitzenden sowie weitere Abgeordnete seit Anfang November unter dem Vorwurf in Haft, die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu unterstützen. Die HDP ist in der Politik weitgehend am den Rand gedrängt, und auch die CHP lehnt eine Zusammenarbeit ab.
Lange Vorbereitungszeit
Erdogan hat seit Jahren auf die Einführung des Präsidialsystems hingearbeitet. Als er im August 2014 als erster Präsident direkt vom Volk gewählt wurde, setzte er die Reform auf die politische Agenda. Doch bei der Parlamentswahl im Juni 2015 verlor die AKP ihre absolute Mehrheit im Parlament, da erstmals die HDP die Zehn-Prozent-Hürde überwand.
Nach dem versuchten Militärputsch vom 15. Juli vergangenen Jahres startete Erdogan einen neuen Anlauf und gewann im Herbst auch die Unterstützung des MHP-Vorsitzenden Devlet Bahceli. Dieser hatte die Pläne zuvor vehement abgelehnt, argumentiert nun aber, die Anpassung der Verfassung sei notwendig, um Erdogans Machtfülle eine legale Grundlage zu geben.