Die Prozesse gegen die mutmasslichen Putschisten in der Türkei würden keine Flut von Klagen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nach sich ziehen. Dies hat der türkische Aussenminister bei einem Treffen mit dem Generalsekretär des Europarats versichert.
Nach dem gescheiterten Umsturzversuch in der Türkei hat der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu «transparente Prozesse» gegen die mutmasslichen Putschisten versprochen. Dabei würden die Standards der Europäischen Menschenrechtskonvention eingehalten, sagte er am Mittwoch nach einem Treffen mit dem Generalsekretär des Europarats, Thörbjorn Jagland, in Strassburg.
Die Menschenrechtskonvention bleibe für die Türkei die Leitlinie, versicherte Cavusoglu. Dies gelte auch für «diese schweren Zeiten nach dem blutigen und tödlichen Putschversuch». Die Türkei werde weiterhin eng mit dem Europarat zusammenarbeiten.
Nicht das ganze Volk wolle die Todesstrafe
Zu der international geäusserten Kritik an Diskussionen über eine mögliche Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei sagte Cavusoglu, diese Forderung sei vom Volk erhoben worden. Damit müsse sich nun das Parlament in Ankara befassen.
Ein Parlament könne nicht ignorieren, was das Volk fordert. Die Atmosphäre in der Türkei sei nun aber besser, was eine sachliche Debatte ermögliche. Viele Menschen in der Türkei lehnten die Todesstrafe ab, einige seien aber dafür.
Cavusoglu lobte das Verhalten des Europarats nach dem Putschversuch. Jagland und andere hohe Vertreter der Organisation hätten sich vor Ort über die Lage informiert. Sie hätten mit eigenen Augen die Schäden gesehen, welche die Putschisten angerichtet hätten.
Prinzip der Unschuldsvermutung
Jagland mahnte, bei den Strafverfahren gegen mutmassliche Putschisten müssten alle rechtsstaatlichen Garantien eingehalten werden. Dies gelte vor allem für das Prinzip der Unschuldsvermutung. Die Türkei müsse verhindern, dass im Zuge der Verfahren eine Flut von Klagen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte lande.
Die türkische Regierung habe sich bereiterklärt, bei den Verfahren mit Experten des Europarats zusammenzuarbeiten, sagte Jagland weiter. Dazu sei bereits in der vergangenen Woche eine Gruppe türkischer Juristen nach Strassburg gekommen.
Wie schon bei seinem Besuch in Ankara Anfang August äusserte der Norweger aber auch Verständnis für das harte Durchgreifen der türkischen Regierung nach dem Umsturzversuch. Die Putschisten hätten mit Panzern auf Menschen geschossen und das Parlament bombardiert – dies sei ein seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs beispielloses Vorgehen.
Europarat versichert Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit zwischen der Türkei und dem Europarat werde auf allen Ebenen fortgesetzt und noch enger werden, versicherte auch die estnische Aussenministerin und amtierende Vorsitzende des Ministerkomitees, Marina Kaljurand, die ebenfalls an dem Treffen teilnahm. Dabei gehe es nicht zuletzt um die Frage, wie Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei trotz des geltenden Ausnahmezustandes garantiert werden können.
Darüber hätten Vertreter des türkischen Justizministeriums am vergangenen Freitag in Strassburg mit Europaratsexperten beraten. «Dies ist ein klarer Ausdruck des Willens der türkischen Regierung, ihre Verpflichtungen als Mitglied des Europarats einzuhalten.»
Cavusoglu nahm in Strassburg am ersten Treffen des Europarats-Ministerkomitees nach dem Putschversuch teil. Dem Europarat gehören 47 Länder an – alle europäischen Staaten mit Ausnahme Weissrusslands. Die Türkei ist seit 1950 Mitglied in der Länderorganisation.