Der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu hat den OSZE-Bericht über Mängel beim Verfassungsreferendum zurückgewiesen. Der Bericht enthalte mehrere Fehler, die absichtlich eingefügt worden seien, sagte er am Mittwoch.
Der Bericht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sei nicht objektiv und «extrem parteiisch», sagte Cavusoglu. Die Wahlbeobachter seien schon mit vorgefertigten Meinungen angereist.
OSZE-Beobachter hatten kritisiert, dass bei der Wahl gegen internationale Standards verstossen worden sei. Zudem sei die türkische Regierung nicht zur Zusammenarbeit bereit. «Von einer Kooperation kann leider keine Rede sein», sagte Michael Georg Link, Direktor des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte, gegenüber deutschen Medien.
Das von Präsident Recep Tayyip Erdogan angestrebte Präsidialsystem hatte nach vorläufigen Ergebnissen der Volksabstimmung vom Sonntag mit 51,4 Prozent nur eine knappe Zustimmung erhalten. Die Opposition kritisiert vor allem die Entscheidung der Wahlkommission, auch nicht von ihr gestempelte und verifizierte Stimmzettel als gültig zu werten.
«Fest steht, dass die kurzfristige Entscheidung der Wahlkommission, falsch oder gar nicht gestempelte Wahlzettel als gültig zu werten, ein Verstoss gegen türkisches Recht darstellt», sagte Link dazu. Der oberste Wahlbeobachter der OSZE wies Anschuldigungen aus Ankara zurück, Vertreter seiner Behörde seien bei der Beobachtung der Abstimmung voreingenommen gewesen.
Annullierung beantragt
Nach der grössten Oppositionspartei, der sozialdemokratischen CHP, beantragte am Mittwoch auch die pro-kurdische HDP bei der Wahlkommission die Annullierung des Ergebnisses. Die Abstimmung sei unter Notstandsrecht abgehalten worden, begründete Parteivize Mithat Sancar den Schritt.
Führende Politiker der HDP seien verhaftet, Parteimitglieder als Wahlbeobachter abgelehnt und staatliche Mittel für die «Ja»-Kampagne missbraucht worden. Ausserdem seien nicht abgestempelte Wahlscheine verwendet worden.
Die türkische Wahlkommission will noch am Mittwoch die Beschwerden prüfen. Dies sagte der Chef der Behörde dem türkischen TV-Sender NTV zufolge.
Ministerpräsident Binali Yildirim erklärte, es sei das gute Recht, Beschwerde gegen den Ausgang des Referendums einzulegen. Dies gelte jedoch nicht, wenn zu Protesten auf der Strasse aufgerufen werde. Aus dem knappen Wahlausgang nehme die regierende AK-Partei mit, künftig bestimmte Themen vorsichtiger anzugehen.
Tausende demonstrieren
In mehreren Städten der Türkei protestierten am Dienstagabend erneut Tausende gegen den Ausgang des Referendums. In Istanbul wurden 38 Menschen nach den Protesten festgenommen. Die Polizei sei am frühen Mittwochmorgen in die Häuser der Aktivisten eingedrungen, berichtete die regierungskritische Zeitung «Birgün».
Unter den Festgenommenen ist unter anderem der Istanbuler Provinzvorsitzende der kleinen linken Partei ÖDP, Mesut Gecgel, wie dieser auf Twitter mitteilte. Die Partei bestätigte die Festnahme ebenfalls auf Twitter und erklärte, Gecgel werde vorgeworfen, mit der Behauptung, dass das Referendumsergebnis «nicht legitim sei, das Volk aufzuwiegeln».
Gecgel hatte unter anderem die regierungskritischen und friedlichen Demonstrationen der vergangenen Tage im Istanbuler Stadtteil Besiktas mitorganisiert
Das mit dem Referendum angenommene neue Präsidialsystem verleiht dem Staatsoberhaupt deutlich mehr Macht, die Umsetzung erfolgt allerdings schrittweise. Vorerst bleiben der Ministerpräsident und die Regierung im Amt.
Erst nach Wahlen, die für November 2019 geplant sind, wird der Präsident sowohl Staats- als auch Regierungschef. Die Opposition befürchtet eine Ein-Mann-Herrschaft.