Nach der schärferen Kontrolle des Internets verstärkt die türkische Regierung nun auch ihren Einfluss auf die Justiz. Präsident Abdullah Gül hat einer umstrittenen Gesetzesänderung über den Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte zugestimmt.
Allerdings habe er Änderungen in Punkten durchgesetzt, die er für verfassungswidrig gehalten habe, teilte Gül am Mittwoch in Ankara mit. So werde der Justizminister in dem Gremium nicht alle im ursprünglichen Entwurf vorgesehenen Befugnisse haben. Dem Verfassungsgericht bleibe vorbehalten, endgültig über das Gesetz zu entscheiden. Kritiker halten die Unabhängigkeit der Justiz durch die Reform für gefährdet.
Vergangene Woche hatte Gül das umstrittene Internetgesetz unterzeichnet, aber auch dort Änderungen verlangt. Das Parlament verabschiedete diese Änderungen am Mittwoch, wie türkische Medien berichteten.
Erneut Zusammenstösse
Derweil ist es erneut zu Zusammenstössen zwischen Regierungsgegnern und der Polizei gekommen. In Istanbul, Ankara, Izmir und anderen Städten demonstrierten am Dienstagabend mehrere hundert Menschen, wie der Sender CNN Türk am Mittwoch berichtete.
Auf Bildern war zu sehen, wie die Polizei Tränengas und Wasserwerfer einsetzte. Demonstranten warfen Steine und zündeten Abfallfässer an. Sie skandierten Parolen wie «überall ist Bestechung, überall ist Korruption».
Am Montagabend waren im Internet kompromittierende Telefonmitschnitte aufgetaucht, auf denen angeblich Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan seinen Sohn Bilal auffordert, grosse Geldmengen vor Korruptionsermittlungen in Sicherheit zu bringen. Erdogan wies die Aufnahmen als Fälschung zurück und sprach von einer Verschwörung. Die Opposition geht dagegen davon aus, dass die Mitschnitte authentisch sind, und fordert Erdogans Rücktritt.
Die islamisch-konservative Regierung sieht sich seit Mitte Dezember massiven Korruptionsvorwürfen ausgesetzt. Vier Minister mussten im Zuge der Affäre zurücktreten.