Der türkische Vize-Ministerpräsident Ali Babacan sorgt mit öffentlicher Kritik an rechtsstaatlichen Mängeln in seinem Land für Aufsehen. Kritik aus den eigenen Reihen ist dort eine Seltenheit.
Ali Babacan, der türkische Vize-Ministerpräsident, übt deutliche Kritik an seinem eigenen Land. Der Rechtsstaat weise erhebliche Mängel auf, sei jedoch so wichtig wie das tägliche Brot. Derzeit gebe die Türkei allerdings ein «schwaches Bild» ab. Wenn sich das nicht ändere, werde das Land politisch und wirtschaftlich zurückfallen, warnte Babacan laut Presseberichten vom Donnerstag. Die türkische Opposition wirft der Regierung bereits seit langem vor, die Justiz unter ihre Kontrolle gebracht zu haben.
Babacan, ein früherer Aussenminister, ist Mitbegründer der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP und gilt als ein Hauptvertreter des wirtschaftsliberalen und EU-freundlichen Flügels der Partei. In der Regierung ist er für die Wirtschaftspolitik zuständig.
Bei allen wirtschaftlichen Erfolgen der Türkei sei es ein grosses Problem, wenn ernsthaft in Frage gestellt werde, ob das Land ein Rechtsstaat sei, sagte er. Die Rechtsprechung in der Türkei müsse sich an internationalen Standards orientieren.
Kritik aus eigenen Reihen selten
Mit Massenversetzungen und Umstrukturierungen hatte die AKP-Regierung im vergangenen Jahr mutmassliche Gegner aus dem Justizapparat entfernt und sich eine entscheidende Rolle bei der Besetzung von Richter- und Staatsanwaltsposten gesichert.
In den vergangenen Tagen hatten einige ehemalige Staatsanwälte, die wegen Korruptionsvorwürfen gegen die Regierung ermittelt hatten und deshalb bestraft worden waren, ihr Zulassungen als Juristen verloren.
Kritik an diesem Vorgehen aus den Reihen der Regierung ist wegen der strengen Parteidisziplin in der AKP höchst selten. Babacan tritt jedoch bei der anstehenden Parlamentswahl am 7. Juni nicht mehr als Kandidat an.