Tunesiens Ennahda-Partei verzichtet auf Top-Ministerien

Eine neue Regierung mit unabhängigen Experten soll Tunesien aus der schweren politischen Krise führen. Nach mehrwöchigen zähen Verhandlungen präsentierten die Islamisten und ihre weltlichen Koalitionspartner die Einigung auf eine weitreichende Umbesetzung des Kabinetts.

Der tunesische Ministerpräsident Ali Larayedh hat die Regierung zusammengestellt (Archiv) (Bild: sda)

Eine neue Regierung mit unabhängigen Experten soll Tunesien aus der schweren politischen Krise führen. Nach mehrwöchigen zähen Verhandlungen präsentierten die Islamisten und ihre weltlichen Koalitionspartner die Einigung auf eine weitreichende Umbesetzung des Kabinetts.

Ministerpräsident Ali Larayedh gab die Bildung der neuen Führung am Freitag bekannt. Sie besteht aus seiner islamistischen Ennahda-Partei sowie der gemässigt linken Ettakatol und dem Kongress für die Republik von Präsident Moncef Marzouki.

Larayedh besetzte mehrere bislang von seiner Ennahda-Partei geführte Schlüsselministerien mit unabhängigen Persönlichkeiten. Von den Spitzenposten bleibt nur das Amt des Ministerpräsidenten in den Händen der islamistischen Partei. Diese hatte im Herbst 2011 die ersten Wahlen nach dem Sturz von Langzeitherrscher Zine al-Abidine Ben Ali klar gewonnen.

„Unser Land braucht Arbeit und Disziplin“, sagte der künftige Regierungschef Larayedh nach dem Abschluss der Verhandlungen. „Wir brauchen nationale Einheit“.

Diplomat wird Aussenminister

Neuer Aussenminister wird der Berufsdiplomat Othman Jarandi. Als ehemaliger Botschafter Tunesiens bei der UNO unterhält er enge Verbindungen zu internationalen Organisationen und zum Westen.

Das Innen- und das Verteidigungsministerium übernehmen die Richter Lotfi Ben Jedou beziehungsweise Rachid Sabbagh. Ben Jedou war an den Ermittlungen zum Tod Dutzender junger Männer beteiligt, die während des Volksaufstandes gegen Ben Ali umgekommen waren. Der Ökonom Elyess Fakhfakh von der Ettakatol wird Finanzminister.

Weil die Koalition im Parlament eine klare Mehrheit hat, gilt die Bestätigung der neuen Regierung als sicher. Diese soll im Amt bleiben bis zu den nächsten Wahlen, die für den Herbst geplant sind.

Politische Krise nach Ermordung Belaïds

Hintergrund der Regierungsneubildung sind die seit Monaten anhaltenden Spannungen im Ursprungsland des Arabischen Frühlings. Sie waren Anfang Februar nach der Ermordung des Oppositionspolitikers Chokri Belaïd durch islamistische Extremisten eskaliert.

Tausende Menschen gingen daraufhin auf die Strasse, um gegen die von der Ennahda-Partei geführte Regierung zu demonstrieren. Beteiligt an der Regierung sind auch die säkuläre Partei CPR um Staatspräsident Marzouki und die sozialdemokratische Partei Ettakatol von Mustapha Ben Jaâfar, der die Verfassunggebende Versammlung leitet.

Larayedh war am 22. Februar mit der Bildung einer neuen Regierung betraut worden, nachdem Ministerpräsident Hamadi Jebali wegen seiner erfolglosen Forderung nach einem Kabinett aus Experten zurückgetreten war. Gegen eine solche Regierung hatte sich vor allem Jebalis eigene Partei Ennahda gewehrt.

Der neue Regierungschef gilt als islamistischer Hardliner. So lehnt der 58-Jährige jede Zusammenarbeit mit Parteien ab, die unter der Herrschaft des gestürzten Staatschefs Ben Ali eine Rolle spielten. Er hatte unter Ben Ali 15 Jahre im Gefängnis gesessen.

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