Der tunesische Ex-Präsident Moncef Marzouki hat ein Jahr nach seiner Wahlniederlage eine neue Partei gegründet. Ziel der «Alirada» («Der Wille» auf Arabisch) solle es sein, den «tunesischen Traum fortzusetzen».
Die derzeitige Regierung kritisierte er als «völlig machtlos» und «ohne Vision». «Ich würde noch nicht einmal sagen, dass Tunesien heute schlecht regiert wird, es wird überhaupt nicht regiert», sagte der 70-jährige Neurologe in einem Exklusivinterview mit der Nachrichtenagentur AFP.
In der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl 2014 hatte Marzouki gegen den anti-islamistischen Politikveteranen Béji Caïd Essebsi verloren. Marzouki hatte sich im Wahlkampf als Verteidiger der Freiheit und der Revolution dargestellt. Essebsi hingegen hatte unter dem durch die Revolution gestürzten autoritären Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali sowie dessen Vorgänger Habib Bouguiba gedient.
Die derzeitige Lage seines Landes sei «katastrophal», sagte Marzouki. Tunesien wurde in diesem Jahr von mehreren islamistischen Anschlägen erschüttert. Bei einem Anschlag auf das Bardo-Nationalmuseum in der Hauptstadt Tunis wurden am 18. März ein Polizist und 20 Touristen getötet. Am 26. Juni tötete ein Angreifer vor einem Strandhotel des Küstenorts Port El Kantaoui bei Sousse 38 ausländische Touristen.
«Kinder der Diktatur»
Die Dschihadisten in Tunesien seien «Kinder der Diktatur» unter Ben Ali, sagte Marzouki. Das Problem des Landes bestehe darin, dass viele in der Regierung noch aus dem alten Regime stammten. Auch gegen die Korruption sei noch nicht genug getan worden. Seine neue Partei will Marzouki nach eigenen Angaben «ein oder zwei Jahre führen und sie dann möglichst schnell den jungen Leuten überlassen».
Von Tunesien war vor fünf Jahren der sogenannte Arabische Frühling ausgegangen. Am 17. Dezember 2010 hatte sich in Sidi Bouzid der junge Gemüsehändler Mohamed Bouazizi aus Verzweiflung über seine Lage und die unfähigen Behörden seines Landes angezündet, was als Auslöser der folgenden landesweiten Proteste gilt. Der Aufstand trieb im Januar 2011 Machthaber Ben Ali aus dem Amt.
Als Krönung der friedlichen Revolution gilt die Präsidentschaftswahl im Dezember 2014, die Essebsi gewann. Für ihren Einsatz für die tunesische Demokratie wurde kürzlich ein tunesisches Dialog-Quartett mit dem Friedensnobelpreis geehrt.