In Tunesien hat Regierungschef Habib Essid ein Misstrauensvotum im Parlament verloren. Am Samstagabend stimmten 118 der 191 anwesenden Abgeordneten gegen den Ministerpräsidenten, nur drei wollten ihn weiter im Amt sehen. 27 Parlamentarier enthielten sich beim Votum.
Teile der Opposition boykottierten die Wahl und stimmten gar nicht ab. Essid war in der Vergangenheit unter Druck geraten, weil es seiner Regierung nicht gelang, die Wirtschaftskrise im Land und die hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Das Land wurde ausserdem immer wieder von islamistischen Anschlägen erschüttert. Essid war gut 18 Monate im Amt.
Explizit kritisiert wurden Essid und seine Regierungsmannschaft im Juni von Präsident Béji Caid Essebsi. Der Staatschef schlug damals die Bildung einer nationalen Einheitsregierung vor, um die Krisen des Landes in den Griff zu bekommen.
In seiner Rede vor dem Parlament betonte Essid, dass er nicht an der Macht hänge. «Ich stelle heute nicht die Vertrauensfrage, weil ich Ihre Stimmen haben möchte, sondern weil der Wechsel des Regierungschefs nach den Regeln der Verfassung ablaufen soll», sagte Essid. Die Abstimmung sei daher auch eine Frage des Respekts gegenüber dem Parlament. Die anschliessende Diskussion bis zur Abstimmung dauerte fast den gesamten Tag.
Amtszeit verteidigt
Vor dem Votum verteidigte Essid die Arbeit seiner Amtszeit. Seine Gegner «tun so, als vergessen sie», welchen Fortschritt die Regierung im Kampf gegen den Terrorismus erzielt habe, sagte er. «Diese Regierung ist gebildet worden, um zu bleiben. Die Lage in unserem Land erfordert Kontinuität.»
Viele Abgeordnete lobten Essid für seine Integrität, kritisierten aber auch die Bilanz seiner Regierungszeit. Der frühere Ministerpräsident Ali Larayedh von der islamistischen Ennahda-Partei sagte, die Regierung sei «zu schwach» gewesen. «Es ist Zeit für einen Wandel.»
Abdelaziz Kotti von der Partei Nidaa Tounès von Präsident Essebsi warf Essid und seiner Regierungsmannschaft vor, für die immensen Wirtschaftsprobleme keine Lösungen gefunden zu haben. Es sei der Führung ausserdem nicht gelungen, «den Tunesiern Hoffnung zu geben».
Die Arbeitslosigkeit in Tunesien lag zum Jahresende bei 15 Prozent. Das Wirtschaftswachstum betrug 2015 nur 0,8 Prozent nach einem Anstieg von 2,3 Prozent im Jahr davor.
Extrem angespannt
Der scheidende Ministerpräsident hat nun zehn Tage Zeit, um Konsultationen über einen geeigneten Nachfolger zu führen. Ein neuer Regierungschef dürfte nach Verhandlungen in der jetzigen Vier-Parteien-Koalition bestimmt werden.
Tunesien ist das Mutterland des Arabischen Frühlings und hat den Übergang vom jahrzehntelang regierenden Machthaber Zine el Abidine Ben Ali zu einer Demokratie nach westlichem Vorbild erfolgreich geschafft.
Allerdings ist die wirtschaftliche Situation im Land extrem angespannt. Anfang des Jahres kam es zu den schwersten sozialen Unruhen seit der Revolution im Jahr 2011.
Derzeit gilt in Tunesien der Ausnahmezustand. Er war Ende November verhängt worden, nachdem bei einem Anschlag in der Hauptstadt Tunis zwölf Mitglieder der Präsidentengarde getötet wurden. Zu dem Anschlag bekannte sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
Bei einer Attacke auf den Strand im Badeort Sousse waren im Juni 2015 39 Menschen getötet worden. Der Fremdenverkehr, der acht Prozent zur Wirtschaftsleistung beiträgt, ist seitdem eingebrochen.