Der tunesische Ministerpräsident Youssef Chahed hat Fehler der tunesischen Behörden im Fall des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri zurückgewiesen. «Die tunesischen Behörden haben keine Fehler gemacht», sagte Chahed der «Bild»-Zeitung vom Dienstag.
«Als Anis Amri 2011 Tunesien verlassen hat, war er kein Terrorist, es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass er sich radikalisieren würde», sagte Chahed. Amri habe sich erst im Gefängnis in Italien radikalisiert.
Auch was Amris Papiere angehe, hätten sich «die tunesischen Behörden korrekt verhalten», sagte der Regierungschef. «Wir standen immer eng mit Deutschland in Kontakt». Chahed kündigte an, anlässlich seiner Visite bei der deutschen Kanzlerin Angela Merkel am Dienstag in Berlin den Anschlagsort an der Gedächtniskirche zu besuchen. «Uns tut wahnsinnig leid, was in Berlin passiert ist.»
Zugleich betonte Chahed, er sehe keine Möglichkeit für Asylzentren in seinem Land. «Tunesien ist eine sehr junge Demokratie, ich denke nicht, dass das funktionieren kann und wir für Flüchtlingscamps hier Kapazitäten haben», sagte Chahed auf die Frage, ob er sich entsprechende Zentren in Kooperation mit Europa vorstellen könne. «Es muss eine Lösung zusammen mit Libyen gefunden werden. Das ist der einzige Weg.»
«Nur sehr geringe Zahl»
Mit Blick auf Forderungen nach einer schnelleren Rücknahme abgelehnter Asylbewerber aus Deutschland sagte Chahed: «Die Kooperation mit Deutschland funktioniert schon jetzt sehr gut. Aber wir brauchen eben von den deutschen Behörden auch klare Beweise, dass es sich wirklich um Tunesier handelt», sagte der Regierungschef. «Illegale Immigranten, die falsche Papiere nutzen, machen das manchmal schwierig und verlängern den Prozess.»
Ohnehin gehe es aber nur «um eine sehr geringe Zahl von vielleicht 1000» Tunesiern, die derzeit in Deutschland lebten. «Das grösste Problem für Europa sind die Flüchtlinge, die aus Libyen nach Italien aufbrechen.»
Abschiebung gescheitert
Merkel hatte am Wochenende in ihrem wöchentlichen Video-Podcast kritisiert, die Anerkennungsquote tunesischer Asylbewerber liege niedrig. Sie werde mit Chahed «natürlich darüber sprechen, wie wir für die Zukunft sicherstellen können, dass schneller gearbeitet wird, insbesondere wenn es um Gefährder geht».
Der aus Tunesien stammende Amri hatte am 19. Dezember mit einem Lastwagen den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche verübt. Zwölf Menschen wurden getötet, dutzende weitere verletzt. Er war den deutschen Behörden als Gefährder bekannt. Seine geplante Abschiebung war an fehlenden Personalpapieren aus Tunesien gescheitert.