U-Häftlinge haben laut Anti-Folter-Kommission zu wenig Rechte

Zu lange Einschlusszeiten, zu strenge Besuchsverbote, unzureichend berücksichtigte Unschuldsvermutung: Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter geht mit den Schweizer Untersuchungsgefängnissen hart ins Gericht. Sie fordert mehr Rechte für Betroffene.

Mehr Rechte hinter Gitter: Dies fordert die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter. Besonders Personen in Untersuchungshaft seien heute einem zu strengen Regime unterstellt (Symbol) (Bild: sda)

Zu lange Einschlusszeiten, zu strenge Besuchsverbote, unzureichend berücksichtigte Unschuldsvermutung: Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter geht mit den Schweizer Untersuchungsgefängnissen hart ins Gericht. Sie fordert mehr Rechte für Betroffene.

Die Anti-Folter-Kommission verteilt den Untersuchungsgefängnissen schlechte Noten. Der Vollzug der U-Haft sei vielerorts nicht konform mit den Grundrechten, heisst es im am Dienstag veröffentlichten fünften Tätigkeitsbericht. Dies hätten Besuche in verschiedenen Gefängnissen gezeigt.

Im vergangenen Jahr überprüfte die Anti-Folter-Kommission sieben Untersuchungsgefängnisse in den Kantonen Basel-Stadt, Bern, Nidwalden, St. Gallen, Zürich und Waadt. Auslöser dafür seien Berichte gewesen, wonach die U-Haft in der Schweiz übermässig restriktiv angewendet werde.

«Kaum verhältnismässig»

Diesen Eindruck bestätigten nun die Besuche der Kommission. Als unverhältnismässig bezeichnete sie namentlich die in den meisten Einrichtungen übermässig langen Einschlusszeiten von über zwanzig Stunden am Tag. Auch die Möglichkeiten, sich sportlich zu betätigen oder einer Beschäftigung nachzugehen, blieben vielen U-Häftlingen verwehrt.

Die Kommission empfiehlt daher, «isolierten Personen im Einzelfall die Möglichkeit zu geben, an gemeinsamen Aktivitäten, beispielsweise Sport oder Beschäftigung, teilzunehmen». Die Regelungen sollten sich an die europäischen Strafvollzugsgrundsätze anlehnen.

Auch bei den Regelungen zum Empfang von Familienbesuchen und zum Telefonzugang gibt es laut der Anti-Folter-Kommission grossen Handlungsbedarf. Das Verhängen von generellen Besuchsverboten sei «kaum verhältnismässig». Das Recht auf Privat- und Familienleben sei auch in U-Haft gebührend zu berücksichtigen.

Konkret schlägt das Gremium vor, dass der Einsatz einer Trennscheibe niemals systematisch erfolgen sollte. Bei Besuchen von Angehörigen müssten auch körperliche Berührungen möglich sein.

Keine einheitlichen Richtlinien

Aus Sicht der Kommission trägt die aktuelle Ausgestaltung des Untersuchungshaftvollzugs in manchen Bereichen der Unschuldsvermutung nur unzureichend Rechnung. Vielerorts werde nicht unterschiedenen zwischen U-Häftlingen und Personen im eigentlichen Strafvollzug. Zu fördern gelte es deshalb jene Versuche, den Vollzug möglichst offen in der Form eines Gruppenvollzugs zu gestalten.

Störend sei überdies, dass der Untersuchungshaftvollzug schweizweit keiner einheitlichen Regelung unterliege. «Die Haftbedingungen unterscheiden sich von Kanton zu Kanton zum Teil erheblich», heisst es im Bericht.

Die Anti-Folter-Kommission empfiehlt, schweizweit gültige Richtlinien für den Vollzug der Untersuchungshaft zu erlassen, welche der besonderen Rechtsstellung von Personen in Untersuchungshaft angemessen Rechnung tragen.

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