Nach der Flüchtlingstragödie vor der italienischen Insel Lampedusa ist die Zahl der Opfer auf mindestens 133 gestiegen. Taucher der Küstenwache entdeckten am frühen Donnerstagabend in und neben dem gekenterten Flüchtlingsboot mindestens 40 weitere Leichen.
Das Schiff soll gemäss der Nachrichtenagentur Ansa in etwa 40 Meter Tiefe vor der Nachbarinsel Isola dei Conigli im Mittelmeer liegen. Von den etwa 500 Menschen an Bord konnten zunächst etwa 155 gerettet werden. Viele werden weiterhin vermisst, die Zahl der Opfer könnte daher noch steigen.
Das Boot hatte am Donnerstagmorgen Feuer gefangen und war gekentert. Dutzende Migranten ertranken, darunter auch drei Kinder und zwei schwangere Frauen, wie Italiens Innenminister Angelino Alfano sagte.
Medienberichten zufolge sollen einige Flüchtlinge auf dem Schiff eine Decke angezündet haben, um ein Fischerboot in der Nähe auf sich aufmerksam zu machen. Das Feuer breitete sich aus, das Schiff kenterte.
Die Überlebenden der Schiffstragödie sollen überwiegend aus Somalia und Eritrea stammen. Die Migranten waren nach Angaben von Geretteten vor zwei Tagen in der libyschen Hafenstadt Misrata gestartet.
Weinende Bürgermeisterin
«Es ist furchtbar, furchtbar, sie hören nicht auf, neue Leichen zu bringen», sagte die Bürgermeisterin auf Lampedusa, Giusi Nicolini, unter Tränen.
Der Untergang des Schiffes sei «ein europäisches Drama, nicht nur ein italienisches», sagte Italiens Innenminister Angelino Alfano vor Journalisten in Rom. Unter den Opfern seien drei Kinder und zwei schwangere Frauen.
Die Suche nach Überlebenden werde fortgesetzt, grosse Hoffnung gebe es aber nicht mehr, sagte ein Sprecher der Küstenwache. Die Schiffbrüchigen seien seit dem frühen Morgen im Wasser.
Bilder von immer neuen Todesopfern, zusammenbrechenden Rettungskräften und unter Schock stehenden Überlebenden erschütterten ganz Italien. Ein mutmasslicher Schlepper, der die Überfahrt der Flüchtlinge nach Lampedusa organisiert haben soll, wurde festgenommen.
Ministerpräsident Enrico Letta beklagte «eine immense Tragödie», wichtige politische Termine in Rom wurden abgesagt.
Papst spricht von «Schande»
Papst Franziskus, der im Juli bei einem Besuch auf Lampedusa die Gleichgültigkeit gegenüber Flüchtlingen kritisiert hatte, sagte im Vatikan, dass schon wieder Flüchtlinge bei einem Schiffbruch ums Leben gekommen seien, könne nur als «Schande» bezeichnet werden. «Wir müssen uns zusammenschliessen, damit diese Tragödien aufhören.»
EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström reagierte entsetzt und forderte die Mitgliedstaaten über den Kurznachrichtendienst Twitter auf, «die Anstrengungen im Kampf gegen Schleuser, die menschliche Hoffnungslosigkeit ausbeuten, zu verdoppeln». Notwendig seien ein besserer Schutz von Migrantenrechten und mehr legale Möglichkeiten für Flüchtlinge, nach Europa zu kommen.
Der UNO-Flüchtlingsbeauftragte Antonio Guterres erklärte, er sei «schockiert» über die steigende Zahl von Flüchtlingen, die im Meer ihr Leben verlören.
Boote kaum seetauglich
Wegen des guten Wetters versuchen zur Zeit besonders viele Menschen aus Afrika, in kaum seetauglichen Booten Europa zu erreichen. Insgesamt wurden seit Jahresbeginn in Italien mehr als 22’000 Bootsflüchtlinge gezählt – drei mal mehr als im gesamten Jahr 2012.
Erst am Montag waren 13 Einwanderer aus Ägypten ertrunken, als ihr Schiff vor der Küste Siziliens unterging. Im August waren ebenfalls vor der Küste Siziliens sechs junge Ägypter ums Leben gekommen. «Wir müssen etwas Konkretes unternehmen, um diese permanenten Verzweiflungstragödien zu verhindern», sagte der italienische Erzbischof Francesco Montenegro.