Die Ukraine sucht trotz ihrer Kehrtwende die Nähe zur Europäischen Union und will zum EU-Gipfel nach Vilnius. Dort hätte das Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet werden sollen, dem die Ukraine am Donnerstag nach Druck aus Moskau eine Absage erteilt hatte.
Präsident Viktor Janukowitsch werde zum EU-Gipfel der Östlichen Partnerschaft am Donnerstag und Freitag reisen, kündigte Ministerpräsident Mykola Asarow am Dienstag an. Janukowitsch wolle ausloten, ob es eine Lösung für die Wirtschaftsprobleme seines Landes geben könne, an der sowohl die EU als auch Russland beteiligt seien.
In einem Fernsehinterview am Dienstag in Kiew sagte Janukowitsch jedoch, er halte sein Land für wirtschaftlich noch nicht reif für eine Partnerschaft mit der EU.
Für den Abschluss des Assoziierungsabkommens über eine engere Partnerschaft und freien Handel mit der EU müsse die Zukunft abgewartet werden, sagte Janukowitsch weiter. «Wir werden alles tun, damit die Ukraine wirtschaftlich stärker wird, alles, damit wir Jahr für Jahr besser leben, damit unser Land wettbewerbsfähig wird.»
«Sobald wir ein Niveau erreichen, das uns bequem erscheint, wenn es unseren Interessen entspricht, wenn wir unter normalen Bedingungen verhandeln können, dann können wir über eine Unterzeichnung sprechen», sagte der Staatschef. Bis anhin hatte die Regierung nur von einer Pause für die EU-Annäherung gesprochen.
Ukraine sucht Gespräch mit Russland
Asarow hingegen machte deutlich, dass seine Regierung nächsten Monat Beratungen mit Russland aufnehmen werde, um die Wirtschaftsbeziehungen wiederzubeleben. Er äusserte die Hoffnung, dass Janukowitsch mit der EU Beratungen über eine Drei-Parteien-Lösung führen werde. «Er reist nach Vilnius, um unsere Position darzulegen und einen Gesprächsmechanismus zu verabreden.»
Der ukrainische Ministerpräsident machte deutlich, dass seine Regierung über den Westen und die internationalen Geldgeber verärgert ist. Die Ukraine sei kein «Schlachtfeld zwischen Russland und der Europäischen Union», sagte Asarow. Vielmehr müssten die «eigenen Interessen» der Ukraine beachtet werden.
Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) warf er vor, dass er «entweder die wirtschaftliche Situation der Ukraine nicht versteht» oder bei der Vergabe von Krediten «absichtlich nicht hinnehmbare Bedingungen» stelle.
Kreml machte Druck
Asarow gab indirekt zu, dass Moskau Druck auf Kiew gemacht hat: «Russland hat vorgeschlagen, die Unterzeichnung zu verschieben und in Verhandlungen einzutreten», sagte er. Russland habe keine direkten Gegenleistungen zugesagt, wenn die Assoziierung nicht zustande komme, insbesondere keine «genauen» Preisabsprachen für die Erdgaslieferungen.
Russland verwahrte sich gegen Kritik der EU, die Regierung in Moskau habe Druck auf die Ukraine ausgeübt. «In diesem Fall ist es unangebracht, von irgendeiner Art von Druck zu sprechen», zitierte die Nachrichtenagentur Interfax den Sprecher von Präsident Wladimir Putin.
Russland ist der wichtigste Gaslieferant und grösste Handelspartner der Ukraine. Russland hatte seinen Nachbarn vor einer Westorientierung gewarnt und mit dem Kappen der Gasversorgung gedroht.
Weitere Proteste angekündigt
Gegen die Abkehr von der EU protestieren seit Tagen immer wieder zahlreiche Ukrainer. Auch am Montagabend hatten sich Demonstranten in Kiew versammelt, die Polizei ging teilweise mit Tränengas gegen sie vor. Auch am Dienstag versammelten sich mehrere Tausend Oppositionsanhänger, um für die Westorientierung zu demonstrieren.
Die frühere Ministerpräsidentin Julia Timoschenko, die wegen Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit Erdgas-Lieferverträgen mit Russland im Gefängnis sitzt, hatte zu Protesten aufgerufen und einen unbefristeten Hungerstreik angekündigt.