Die ukrainische Armee ist nach der Einnahme der Separatistenhochburg Slawjansk weiter Richtung Donezk vorgerückt. Einer der Anführer der Aufständischen räumte am Sonntag via Twitter ein, dass die Rebellen die Städte Druschkiwka und Kostjantyniwka aufgeben mussten.
«Dies ist noch kein vollständiger Sieg», erklärte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, als am Samstag die Eroberung von Slawjansk vermeldet wurde. Dort wurde drei Monate nach dem Beginn des prorussischen Aufstands in der Ostukraine über dem Rathaus wieder die ukrainische Flagge gehisst. Auch über Artjomowsk wehe wieder die blau-gelbe Flagge, sagte Verteidigungsminister Waleri Geletej.
«Die Zeit für ein Feuerwerk ist noch nicht gekommen», mahnte Poroschenko. Nun müsse die «Umzingelung der Terroristen» noch verstärkt werden, um die Regionen Donezk und Lugansk zu «befreien».
Poroschenko schwor die Armee und die Bevölkerung auf einen harten Kampf ein: «Ich bin weit entfernt von Euphorie», sagte der ukrainische Präsident. «Die Lage ist sehr schwierig.» Die Separatisten hätten sich in den Grossstädten «eingegraben, und vor uns liegen viele Herausforderungen».
Rückzug nach Donezk
Vor allem in ihre zweite Hochburg Donezk, knapp hundert Kilometer südlich von Slawjansk, zogen sich die Aufständischen zurück. Dutzende Lastwagen mit Bewaffneten rollten in die Industriestadt.
150 verletzte Rebellen würden in den Spitälern der Stadt behandelt, sagte der Vize-Ministerpräsident der selbstproklamierten «Volksrepublik Donezk», Andrej Purgin, laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine.
In Donezk attackierten prorussische Aufständische einen Militärstützpunkt, um Waffen zu erbeuten. Die Soldaten hätten das Feuer erwidert, sagte Armeesprecher Sergej Starenki. Heftige Gefechte wurden am Sonntagabend aus der Stadt Lugansk gemeldet.
Aufständische wollen «Militärrat» einberufen
Rebellenführer Igor Strelkow kündigte an, er werde am Montag einen «zentralen Militärrat» einberufen. Ziel sei, die Aufständischen besser zu koordinieren, sagte er dem russischen Fernsehen am Sonntag.
Zuvor hatte Strelkow Russlands Präsident Wladimir Putin Wortbruch vorgeworfen. Dessen Zusage, er werde «alle verfügbaren Mittel» zum Schutz seiner Landsleute in der Ukraine einsetzen, entpuppten sich als leere Versprechen, twitterte er am Samstag. «Sie erfüllten uns mit Hoffnung und gaben uns dann auf.» Putins Schutzzusagen seien «schöne Worte» gewesen – «aber nur Worte».
Der bewaffnete Aufstand der Separatisten begann im März. Seitdem wurden mindestens 470 Menschen getötet. In Slawjansk gab es besonders heftige Kämpfe.
Keine Gespräche über Waffenruhe
Angesichts der militärischen Erfolge der Armee rückt eine Waffenruhe offenbar in die Ferne. Ein von Poroschenko für Samstag vorgeschlagenes Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe fand nicht statt.
Russland forderte die Führung in Kiew mit Nachdruck zu Verhandlungen mit den Aufständischen auf. Es sei «zutiefst beunruhigend», dass die vereinbarten Gespräche noch nicht stattgefunden hätten, sagte Aussenminister Sergej Lawrow in einem Telefonat mit seinen Amtskollegen aus Deutschland und Frankreich, Frank-Walter Steinmeier und Laurent Fabius. Bei einem Treffen müsse eine neue Waffenruhe vereinbart werden, betonte er.
Die ukrainische Führung reagierte zurückhaltend. «Bei den Gesprächen kann es eigentlich nur um die bedingungslose Waffenabgabe der Kämpfer sowie um die Freilassung der Gefangenen gehen», sagte Andrej Lyssenko vom Nationalen Sicherheitsrat. Die Regierung sei zudem zu Verhandlungen über eine Sicherung der Grenze durch OSZE-Beobachter bereit.