Nach dem Finanzskandal bei der konservativen Volkspartei in Spanien erschüttert eine Abhöraffäre von nicht absehbaren Ausmassen die Politik. Privatdetektive sollen in der Region Katalonien Politiker mehrerer Parteien, Unternehmer sowie Prominente abgehört und ausspioniert haben.
Die Detekteien hätten im Auftrag verschiedener Kunden mehr als 500 Dossiers angelegt, berichtete die Zeitung „La Vanguardia“ am Freitag. Die Zeitung „El Mundo“ sprach von einem „katalanischen Watergate“.
Spaniens Innenminister Jorge Fernández Díaz bestätigte, dass die Polizei Ermittlungen eingeleitet habe. Die Affäre wurde öffentlich, nachdem die Chefin der konservativen Volkspartei in Katalonien (PPC), Alicia Sánchez-Camacho, bei einer Unterredung in einem Restaurant abgehört worden war und Anzeige erstattet hatte.
Sozialisten verdächtigt
In Medienberichten wurde der Verdacht geäussert, die Sozialisten (PSC) hätten die Abhöraktion in Auftrag gegeben. Der PSC-Parteichef Pere Navarro bestätigte, dass seine Partei Aufträge an Detektivbüros erteilt habe. Dabei sei es aber nur um Sicherheitsfragen gegangen und nicht um Abhöraktionen.
Ein Ex-Polizist, der bis vor kurzem für ein grosses Detektivbüro gearbeitet hatte, soll nach Informationen der Zeitung „El País“ den Sicherheitsbehörden umfangreiches Material aus den Dateien der Agentur zur Verfügung gestellt haben. Danach sollen Politiker aller Parteien sowie Firmenchefs, Richter und Staatsanwälte observiert worden sein.
Gegen Separatisten gerichtet?
Dagegen äusserte der Sprecher der Regionalregierung von Katalonien, Francesc Homs, den Verdacht, die Affäre sei ans Licht gebracht worden, um die angestrebte Schaffung eines unabhängigen katalanischen Staates zu sabotieren. „Warum hat man den Skandal nicht schon vor zwei Jahren aufgedeckt?“, fragte der Regierungssprecher in Barcelona.
Die Affäre dürfte das Ansehen der Politiker bei den spanischen Wählern weiter schmälern. Im Januar war in der Presse der Vorwurf erhoben worden, die Volkspartei von Ministerpräsident Mariano Rajoy habe jahrelang Politiker mit Geldern aus schwarzen Kassen bezahlt. Der Regierungschef wies die Vorwürfe als völlig unwahr zurück, konnte die grosse Mehrheit der Spanier damit aber nicht überzeugen.