Die Umsetzung des Volksauftrags zur Verkehrsreduktion in Basel-Stadt hat einen Rückschlag erlitten: Nach zwei Jahren Rückgang hat der Strassenverkehr 2013 leicht zugenommen. Die Regierung legt nun ein verkehrspolitisches Leitbild vor.
Der 2010 vom Volk klar angenommene Gegenvorschlag zur Städteinitiative gibt bis 2020 eine Reduktion des motorisierten Individualverkehrs (MIV) auf dem untergeordneten Strassennetz um zehn Prozent vor. Nachdem dieser Index 2011 und 2012 mit 0,8 und 1,0 Prozent Minus auf Kurs gelegen war, ist er 2013 um 0,3 Prozent angestiegen.
Die Basler Autobahnen legten innert Jahresfrist gar um 3,0 Prozent zu; sie sind aber im Gegenvorschlag ausgeklammert. Eine leichte Verlagerung von städtischen auf die Hochleistungsstrassen sei seit drei Jahren zu beobachten, sagte Simon Kettner, Leiter Mobilitätsstrategie beim Bau- und Verkehrsdepartement.
Ziel bis 2025 statt 2020 erreichbar
Ein Grund für den Mehrverkehr sei das Bevölkerungswachstum, sagte Verkehrsdirektor Hans-Peter Wessels am Montag vor den Medien. Lege die Einwohnerzahl bis 2020 um erwartete 6 Prozent zu, verschärfe dies das Reduktionsziel auf -16 Prozent. Die Regierung selber hätte damals nur stabilisieren wollen; das Parlament sei weiter gegangen.
Die Verkehrsdaten sind nicht einfach interpretierbar, Trends sind teils mit Baustellen (MIV) oder mit zeitweise lausigem Wetter (weniger Velo-Gebrauch) mit erklärbar. Potenzial und Handlungsbedarf ortet Kettner beispielsweise bei Fusswegen zwischen zwei und fünf Kilometern, was im übrigen klar über den Innerstadt-Perimeter hinausweise.
Das Leitbild samt Massnahmenplan soll Wege aufzeigen, wie das Ziel zu erreichen ist. Das sei «relativ anspruchsvoll», sagte Wessels. Werden die grossen Elemente wie Parkraumbewirtschaftung und ÖV-Ausbau Realität, sei das Ziel bis 2025 erreichbar, hiess es. Das Leitbild geht bis im Juli in die Vernehmlassung; die Regierung will es im Herbst beschliessen.
Konzepte für Dosierung und Güter
Das Leitbild umfasst 31 Massnahmen in sieben Bereichen. Wegen Zielkonflikten sind Prioritäten laut Kettner im Einzelfall und lokal zu definieren. Sicherheit und Lebensqualität sollen etwa der Geschwindigkeit vorgehen. Bauliche Massnahmen zur Verkehrsreduktion seien aus Kostengründen auf anstehende Erhaltungsbauten auszurichten.
Als neue Massnahmen genannt wurden insbesondere ein «städtisches Verkehrsmanagement-Konzept» zur Dosierung und «ein städtisches Güterverkehrs-Konzept». Letzteres könnte Themen beinhalten wie Anlieferzonen, Paketboxen oder gar ein Verteilzentrum. Beide Konzepte werden extern erarbeitet für zusammen fast eine halbe Mio. Franken.
Die Gesamtkosten seien kaum zuverlässig zu benennen, weil die Leitbild-Massnahmen sehr heterogen seien, sagte Wessels. Kostet der S-Bahn-Innerstadttunnel namens «Herzstück» als teuerstes Projekt rund 1,5 Mrd. Franken, so seien Spielstrassen fast gratis und brächten Parkkarten netto sogar etwas herein.
Um das im Umweltschutzgesetz festgeschriebene Verkehrsreduktionsziel zu erreichen, braucht es jedenfalls laut Kettner zusätzliche Anstrengungen. Laut Wessels steht Basel im Vergleich der grossen Schweizer Agglomerationen dennoch gut da; die meisten anderen schafften es nicht einmal, den Verkehr zu stabilisieren.
Unzufrieden mit dem Leitbild ist der Verkehrsclub der Schweiz (VCS): In einer Stellungnahme wirft er der rotgrünen Regierung vor, den Volkswillen zu ignorieren. Eine Verkehrszunahme wegen Ausbaus der Autobahnen – wie der Osttangente-Erweiterung oder des Gundelitunnels – müsse gemäss Gesetz auf dem Stadtnetz kompensiert werden, doch dazu erfahre man nichts.