Unbekannte haben am Mittwoch in der nordlibyschen Hafenstadt Sirte einen Schweizer Delegierten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) getötet. Er wurde im Auto aus allernächster Nähe erschossen. Die Hintergründe der Tat sind nicht bekannt.
Das IKRK mit Sitz in Genf bestätigte die Tötung ihres Mitarbeiters in Sirte, das etwa 450 Kilometer südöstlich der libyschen Hauptstadt Tripolis liegt. Er war Leiter der Unterdelegation des IKRK in der Küstenregion Misrata.
Der Angriff auf den IKRK-Delegierten sowie zwei Begleiter erfolgte, nachdem diese an einem Arbeitstreffen in Sirte teilgenommen hatten. Entgegen ersten Informationen seien die Rot-Kreuz-Mitarbeiter nicht auf dem Weg zu ihrem Fahrzeug, sondern im Auto beschossen worden, erklärte der Sprecher.
Der Schweizer sei aus «allernächster Nähe» erschossen worden; er verstarb noch vor Ort. Die Begleiter hätten einen Schock erlitten, seien aber unverletzt geblieben.
Der Sprecher sagte, dass das Auto der Helfer nicht als IKRK-Fahrzeug gekennzeichnet war. «Dies entspricht unseren Sicherheitsvorschriften für die Tätigkeit in Libyen. Es hatte dort zuvor schon Feindseligkeiten gegen Rot-Kreuz-Helfer gegeben, danach wurde angeordnet, dass unsere Autos nicht als solche erkennbar sein sollen.»
Burkhalter konsterniert
Bundespräsident Didier Burkhalter reagierte «mit Konsternation und grosser Betroffenheit» auf den Tod des Schweizer IKRK-Delegierten in Libyen. Burkhalter habe der Familie und den Angehörigen des Opfers sowie dem IKRK «seine aufrichtige Anteilnahme und sein tiefes Mitgefühl ausgedrückt», teilte das EDAmit.
Burkhalter nehme «mit Beunruhigung die Nichtrespektierung der mutigen Arbeit zur Kenntnis, welche die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Feld zugunsten der Schwächsten leisten», heisst es in der Mitteilung des Eidg. Departements für auswärtige Angelegenheiten.
Die Schweiz verurteile jeden Verstoss gegen das Humanitäre Völkerrecht und die humanitären Prinzipien mit grösster Entschlossenheit und ruft alle Konfliktparteien dazu auf, diese zu respektieren.
Amtssitz vom Regierungschef unter Beschuss
Seit dem Bürgerkrieg 2011 und dem Sturz von Machthaber Muammar al-Gaddafi ist es den libyschen Regierungen nicht gelungen, sich im gesamten Land Autorität zu verschaffen. Viele ehemalige Rebellengruppen verweigern ihre Entwaffnung und kämpfen zum Teil gegeneinander.
Zuletzt hat sich die Sicherheitslage im Land weiter verschlechtert, vor allem im Osten des Landes. Doch auch die Hauptstadt Tripolis ist von der Gewalt betroffen: So beschossen Unbekannte am Mittwoch das Büro von Ministerpräsident Ahmed Maitik mit einer Panzerfaust. Maitik sei nicht in seinem Amtssitz gewesen, sagte einer seiner Berater, es sei niemand verletzt worden.
Kurz zuvor war auf den Ex-General Khalifa Haftar ein Anschlag verübt worden, den er nach Angaben seines Sprechers unverletzt überstand. Maitik war im Mai in einer chaotischen Abstimmung vom Parlament zum Regierungschef gewählt worden. Einige Abgeordnete stellen die Rechtmässigkeit der Wahl aber infrage.
Maitiks Vorgänger Abdullah al-Thani weigerte sich, die Macht abzugeben, bis die Legitimität der Wahl bestätigt sei. Als Reaktion rückte am Montag Maitik mit einer Polizei-Eskorte in das Büro des Ministerpräsidenten ein.