Und der Bär tanzt für: ….. !

Das rumänische Drama «Child’s Pose» erhält an den Berliner Filmfestspielen 2013 den Hauptpreis. Regisseur Călin Peter Netzer hat es am klarsten geschafft, was die Berlinale immer wieder sucht: Politik in der Kunst zu erzählen. Berichterstatter stellen in Berlin seit Tagen Kritiker-Hitparaden auf. Das erhöht den sportlichen Geist. Mindert aber auch deutlich die Auseinandersetzung mit der Kunst. Ulrich Seidls […]

Regisseur Calin Peter Netzer wird in Berlin mit einem Goldenen Bären ausgezeichnet.

Das rumänische Drama «Child’s Pose» erhält an den Berliner Filmfestspielen 2013 den Hauptpreis. Regisseur Călin Peter Netzer hat es am klarsten geschafft, was die Berlinale immer wieder sucht: Politik in der Kunst zu erzählen.

Berichterstatter stellen in Berlin seit Tagen Kritiker-Hitparaden auf. Das erhöht den sportlichen Geist. Mindert aber auch deutlich die Auseinandersetzung mit der Kunst. Ulrich Seidls Österreich-Trilogie etwa ist der geliebte Star unter den Cinéasten. Leider hat aber er nur seinen dritten, dünnsten Teil hier in Berlin abgeliefert. Das wirft ihn auf der Tabelle zurück.

Die Narrationsfreunde zogen «Child’s Pose» des Rumänen Călin Peter Netzer vor. Er hat es am klarsten geschafft, was die Berlinale immer wieder sucht: Politik in der Kunst zu erzählen. Seine Kunst ist dann auch für alle verständlich, die darin einfach eine krankhafte Mutter-Sohn Beziehung sehen wollen. Die Wacheren können, nach dem Siegeszug des Kapitalismus, aber auch eine detailverliebte Schilderung der Günstlingswirtschaft sehen, die Netzer in Demokratien heranwachsen sieht. Eine neue Blütezeit der Korruption steht vor uns.

Viele politische Wetten gingen 2013 für «Closed Curtain» des Iraners Jafar Panahis ein. Wenn auch die geschlossenen Vorhänge des im Haussarrest stitzenden Regisseurs die künstlerisch gerissenste Botschaft des Festivals an die Welt darstellten, blieb die Jury trotzdem dem Markt verpflichtet: Verkaufen lässt sich Jafar Panahis Kunstwerk ausserhalb des Iran nur Kino-Kinofreunden, die diese Geheimpolizeimetaphern verstehen wollen. Der normale Kinogänger bleibt auf einem langfädigen Rätsel sitzen.

Jury zeigt Gefühl für den Markt

Der Goldene Bär für den besten Film bleibt also einem hinreissend detailliert gemalten Gemälde einer krankhaften Mutter-Sohn-Beziehung vorbehalten, das ebenso eine politische Demonstration darstellt. Damit hat die Jury ein Gefühl für den Markt gezeigt. Eine Hinwendung zu den Geschichten starker Frauen. Aber auch ein Gefühl für den Wandel, der sich im Kapitalismus abzeichnet. Niemand kann genauer beobachten, wie die Korruption sich im System einnistet, als jene, die historisch aus korrupten Systemen stammen. Rumänien ist einer der Brennpunkte dieser Sensibilität.

Hier die Zusammenstellung der Auszeichnungen:

  • Der silberne Bär für den Kurzfilm: «Die Ruhe bleibt» Stefan Kriekhaus
  • Der goldene Bär für den Kurzfilm: «La Fugue» Jean- Bernmard Marlin
  • ALFRED-BAUER-PREIS: «Vic+Flo on vu un ours» von Denis Coté
  • Der silberne Bär für den besten Erstlingsfilm: «The Rocket» von Kim Mordaunt 
  • Der silberne Bär des grossen Preises der Jury: «An Episode in the Life of an Iron Picker» von Danis Tanovic
  • Ebenso ein silberner Bär an den Hauptdarsteller aus diesem Film: Nazif Mujic
  • Der silberne Bär für die beste Hauptdarstellerin geht an: Paulina García in „Gloria“ von Sebastián Lelio
  • Der silberne Bär für das beste Drehbuch: «Pardé» von Jafar Panahi
  • Der silberne Bär für die beste Kamera: Azis Zhambakiyev in «Harmony Lessons»
  • Der silberne Bär für bste Regie von: David Gordon Green für «Prince Avalanche»
  • Der goldene Bär für den besten Film geht an: «Child’s Pose» von Calin Peter Netzer

Aber auch die starke Frauenriege bleibt nicht auf der Strecke, wie der Preis für die beste Hauptdarstellerin unterstreicht: Paulina Garcia lässt in ihrem Gesicht locker 90 Minuten Narration entstehen, die die Inhaberin des Gesichtes eines reichen Lebens erfordern.

Die Schweiz, die mit «Nachtzug nach Lissabon» im Wettbewerb angetreten ist, aber ausser Konkurrenz, hat damit das Rezept gefunden, gut dazustehen. Wer so antritt gehört zumindest nicht zu den Verlieren. Da könnten sich unsere Skifahrer mal was abgucken:  Wer ausser Konkurrenz mitfährt, kann schöner, entspannter und gelassener an den Siegesfeiern der andern teilnehmen. Gewonnen hat der «Nachtzug nach Lissabon» damit immerhin die Sympathien vieler. 

Bereits am Freitag hat die polnische Jugendstudie «Baby Blues» einen gläsernen Bären für den besten Film 14plus (für Jugendliche) erhalten. Verdient. So einleuchtend krass hat seit Edward Bonds «Early Morning» kaum mehr jemand auf die soziale Misère der Jugend aufmerksam gemacht. Selbst die Eltern sind im «Baby Blues» noch Kinder.

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