«Und wenn die Welt auch untergeht, das Twist wird für immer bleiben»

In der Nacht auf diesen Mittwoch ist in Sissach nicht irgendein Pub abgebrannt. Mit dem «Twist» an der Bahnhofsstrasse verschwindet eine der letzten Gewissheiten. Ein kleiner Nachruf für einen verachteten Ort.

Da geht es hin, das «Twist». (Bild: Polizei BL (ausgerechnet!))

In der Nacht auf diesen Mittwoch ist in Sissach nicht irgendein Pub abgebrannt. Mit dem «Twist» an der Bahnhofsstrasse verschwindet eine der letzten Gewissheiten. Ein kleiner Nachruf für einen verachteten Ort.

Sie haben uns erzählt von früher, von Säcken voller Drogen, von gescheiterten Existenzen und Randfiguren. Sie haben uns gewarnt vor zwielichtigen Gestalten und unklaren Absichten.

Und genau darum drückten wir die schwere, dunkle Türe immer wieder auf und betraten einen Ort, den es eigentlich gar nicht mehr geben konnte. Nicht geben durfte. Wir tranken Bügelbier (denn wir trauten der Zapfanlage nicht), wir tranken mehr Bügelbier, wir rauchten tausend Zigaretten und gingen manchmal mit den Kiffern nach draussen. Wir wählten Hotel California auf der Jukebox (2201), alles von Pink Floyd und Black Sabbath und Herbert Grönemeyer und manchmal auch den einen Song von Stiller Has (kam aber nicht so gut an).

Wir wussten viele Dinge über diesen Ort und wir wiederholten sie gerne. Wir sagten: «Hier kannst du hin, und du weisst, es gibt immer jemanden, dem es noch schlechter geht als dir.» Wir schauten die stehengebliebene Pendule an, die abgeschliffenen Tische, die dunklen Balken, den verschmierten Töggelikasten und wir sagten: «Wenn die Welt auch untergeht, das Twist wird für immer bleiben.» Und manchmal schrieben wir unseren Kummer zu all den anderen Botschaften auf dem Fensterrahmen neben dem Pissoir und sagten nichts mehr.

Alle brauchen ein «Twist»

Wer das alles nun für die unreifen Schwärmereien eines heranwachsenden Mannes hält, der hat natürlich recht. Aber eben nicht ganz. Das in der Nacht auf Mittwoch abgebrannte «Twist» an der Bahnhofsstrasse in Sissach (die Brandursache wird noch ermittelt) war nicht nur der Ort der eigenen verlorenen Jugend und der durchzechten Nächte. Das «Twist» war ein Ort, wie ihn jedes mittelgrosse, mittelspiessige, mittelmässige Dorf braucht: Es war ein Platz für alle Anderen. Für die Durchgefallenen, für die verlorenen Seelen, die sonst niemanden hatten. Im Dorf selber (und über das Dorf hinaus, wenn ich mir vergegenwärtige, was für böse Dinge die Kollegen am Tag nach dem Brand über das Pub von sich gaben!) war das «Twist» ein schlechter und schändlicher Ort. Die Behörden wollten es schon lange schliessen, wollten eine Garage oder einen Parkplatz oder ein Einkaufscenter oder was auch immer an die Stelle des Hauses an der Bahnhofsstrasse bauen. Dabei verkannten sie den tieferen Sinn, den das «Twist» für die Dorfgemeinschaft hatte. Das «Twist» war ein Korrektiv für das durchorganisierte Leben auf dem Land. Ein Sehnsuchtsort für kleine Fluchten. Eine der letzten Gewissheiten.

Ohne sozialen Kodex

Dass im Pub nur «niedrige soziale Schichten» und «Schüler» verkehrt haben sollen, wie «Onlinereports» heute geschrieben hat, ist Ausdruck vom verqueren Bild der Aussenwelt auf dieses Pub. Und es ist falsch. Das wirklich schöne am «Twist» war eben gerade die soziale Durchmischung. Regierungsräte, Geschäftsleute, Journalisten (viele!), Arbeiter, Alkoholiker, Kiffer – niemand wurde beim Eintreten ins «Twist» schräg von der Seite angeblickt oder komisch angemacht. Der soziale Kodex, wie es ihn an so vielen anderen Orten gibt, der fehlte im «Twist».

Und nun fehlt es selber. Die Welt dreht sich weiter, das «Twist» gibt es nicht mehr. Dabei waren wir uns so sicher.

Quellen

Medienmitteilung der Polizei BL

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