Und wieder mal: Die Killerspiel-Debatte

Call of Duty Modern Warfare 3 und Battlefield 3 – die beliebtesten Shooter-Games stehen beide mit neuen Versionen am Start. Ein Anlass, mal wieder über Sinn und Unsinn von Kriegsspielen nachzudenken… Zwei Giganten der Videospielindustrie bekriegen sich: Und zwar mit Kriegsspielen. Die Releases der beiden Militärkracher Battlefield 3 aus dem Hause Electronic Arts und Call […]

Call of Duty Modern Warfare 3 und Battlefield 3 – die beliebtesten Shooter-Games stehen beide mit neuen Versionen am Start. Ein Anlass, mal wieder über Sinn und Unsinn von Kriegsspielen nachzudenken…

Zwei Giganten der Videospielindustrie bekriegen sich: Und zwar mit Kriegsspielen. Die Releases der beiden Militärkracher Battlefield 3 aus dem Hause Electronic Arts und Call of Duty: Modern Warfare 3 von Activision sind Anlass genug, das kriegerische Treiben auf heimischen Konsolen mal wieder etwas nüchtern zu betrachten.

 

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Battlefield 3 (Bild: Stephan Herzog)

Die beiden erwähnten Spiele stehen zwar in direkter Konkurrenz, sind aber vom Spielerlebnis komplett verschieden. Wo Battlefield zumindest ansatzweise die Realität einzufangen versucht, scheinen die Call of Duty Macher Michael Bay für die Inszenierung engagiert zu haben. Battlefield 3 hetzt den Spieler rund um den Globus, auf der Jagd nach einem Superterroristen, der im Besitz von Nuklearwaffen zu sein scheint. Die mitstreitenden virtuellen Soldaten hinterfragen das kriegerische Treiben bisweilen recht kritisch und sollen wohl gerade deshalb den Realitätsgrad in die Höhe treiben. Grafisch ist das Ganze auf enorm hohem Niveau: Die Texturen der einzelnen Figuren, die Lichteffekte, die Soundkulisse und die Explosionen- alles sieht fast aus wie in der Tagesschau.

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Battlefield 3 (Bild: Stephan Herzog)

 

Ganz anders dann Call of Duty: Modern Warfare 3. Hier steht am Anfang des Spiels ganz Manhattan in Schutt und Asche. Gekämpft wird zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Die Russen greifen an. Alles explodiert um einen herum. Das Tempo ist unerbittlich. Ganz im Geiste John Milius ist klar: Die rote Flut soll zurückgetrieben werden. Hurrapatriotisch werden die verschiedenen Spezialeinheiten in Szene gesetzt. Hinterfragt wird kaum. Auch hier ist die Präsentation fantastisch: Wenn man im Schlauchboot durch eine ganze Flotte russischer Kampfschiffe fährt, die gleichzeitig von Langstreckenraketen bombardiert wird, im Hintergrund die rauchenden Wolkenkratzer Manhattans, dann muss man vor den Programmierern schon den Hut ziehen. Auf technischer Ebene ist auch Modern Warfare 3 ein wahrer Leckerbissen.

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CoD:MW3 (Bild: Stephan Herzog)

Beide Spiele erfreuen sich grösster Beliebtheit bei Millionen von Fans rund um die Welt aufgrund ihrer umfangreichen Mehrspielermodi. Bei Battlefield 3 wird vorwiegend der steuerbare Fuhrpark geschätzt. Von Jeeps bis zu Düsenjets darf auf grossen Maps mit allerlei Kriegsmaterial rumgetollt werden. Call of Duty richtet sich eher an den ambitionierten, ehrgeizigen Spieler. Für besonders geschicktes Spielen gibt’s ein ausgeklügeltes Bonus-System und entsprechend werden weitere Fähigkeiten freigeschaltet. Für Neulinge ist der Einstieg bisweilen ein wenig frustrierend, da sich zahlreiche Profi-Zocker auf den Servern tummeln und Greenhorns oft schon nach Sekunden virtuell das Zeitliche segnen. Nach einiger Eingewöhnung steigt man aber schnell auf und feiert erste Erfolgserlebnisse gegen blutige Anfänger.

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CoD:MW3 (Bild: Stephan Herzog)

Soweit so gut- nun kommt aber der moralische Aspekt zum Tragen. Was darf ein Spiel?  Gehören solche Spiele verboten?

Für überzeugte Pazifisten ist der Fall wohl klar: Ein Krieg darf nicht gespielt werden. Punkt. Denn er ist kein Spiel. Er ist tragisch, blutig, hässlich und am Ende gibt es nur Verlierer. Das ist ein vollkommen legitimer Standpunkt. Menschen mit dieser Überzeugung machen deshalb sicher einen grossen Bogen um diese Spiele machen. Was aber ist mit jungen Männern, die dem Release dieser Spiele wochenlang entgegen fiebern? Sollte man ihnen das Spielen derselben untersagen?

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Battlefield 3 (Bild: Stephan Herzog)

 

„Movies don’t create psychos, movies make psychos more creative“ sagt eine Hauptfigur in Wes Cravens Horrorklassiker Scream. Und so banal der Satz auch klingt, es steckt wohl auch ein Fünkchen Wahrheit drin. Und auf Videospiele lässt er sich bis zu einem gewissen Grad ebenfalls übertragen. Niemand wird ernsthaft glauben, dass ein normaler Mensch nach dem Spielen eines sogenannten Killerspiels zum Waffenhändler läuft, sich eine Feuerwaffe kauft und ein paar Menschen erschiesst, bloss weil das im Spiel so viel Spass gemacht hatte. Umgekehrt ist es nicht auszuschliessen, dass psychisch kranke Menschen mit solchen Spielen den Ernstfall „üben“ oder sich dadurch Befriedigung verschaffen.

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Battlefield 3 (Bild: Stephan Herzog)

Ich frage mich aber, ob hier nicht vor allem unsere Gesellschaft gefordert ist? Sollte nicht das Umfeld eingreifen, wenn es feststellt, dass jemand psychische Probleme hat? Machen wir es uns nicht zu einfach, wenn wir die Verantwortung auf die Spielindustrie schieben? Ist dies nicht einfach Symptombekämpfung? Welche ethischen Gesamtwerte gelten überhaupt in unserer Gesellschaft? Messen wir hier mit zwei Ellen?

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CoD:MW3 (Bild: Stephan Herzog)

Die meisten Länder kennen Altersbegrenzungen für Filme und Spiele. Diese Begrenzungen sind sinnvoll. Kinder sollen nicht mit gewalttätigen Spielen konfrontiert werden. Bei Erwachsenen ist das anders. Hier kommen die von der Gesellschaft gesetzten ethischen Standards ins Spiel. Und diese wiederum definieren sich über die Sitten und Gebräuche verschiedener Länder. Während beispielsweise in europäischen Ländern die Darstellung einer nackten weiblichen Brust kaum mehr für ein Stirnrunzeln sorgt, ist dies in anderen Regionen der Grund für politische Diskussionen (vgl. die ägyptische Bloggerin Aliaa Magda Elmahdy). Ähnlich ist es mit Gewaltdarstellungen: Was in asiatischen Ländern zur Tagesordnung gehört, ist bei uns verboten.

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CoD:MW3 (Bild: Stephan Herzog)

 Wenn sich nun also Politikerinnen und Politiker gewalttätige Spiele ausgesucht haben und nach Verboten schreien, frage ich mich, warum hier niemand nachhakt. Eine gesamthafte Forderung nach einem Verbot für Gewaltdarstellungen fände ich zwar persönlich nicht richtig, könnte sie aber aufgrund ihrer Logik durchaus akzeptieren. Doch dann müssten entsprechend Bücher wie American Psycho, Musikstücke von Slayer, ja selbst Kunstwerke von Goya oder Francis Bacon ebenfalls verboten sein. Bloss zu argumentieren, die Möglichkeit der Einflussnahme sei massgeblich für die Rechtfertigung eines Verbots scheint mir zu simpel. Eine generelle Gewaltdiskussion wäre angebracht. Was muten wir uns in den Medien zu? Es stimmt mich einiges nachdenklicher, dass es mehrere Tage gedauert hat, bis die Bilder des getöteten Muammar Gaddaffi kritisch hinterfragt wurden als wenn in einem Videospiel eine virtuelle Figur mittels Lasergewehr eine Horde Aliens von der Welteroberung abhält.

Und was denken Sie, liebe Leserinnen und Leser? Stören Sie sich an Gewaltspielen? Spielen Sie selber welche? Ihre Meinung ist gefragt….

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