Nach dem Abzug der Polizei sind am Montag hunderte Flüchtlinge in Budapest in Züge nach Wien, München, Berlin und Zürich gestiegen. In der Schweiz stoppte sie die Grenzwache und übergab sie der Kantonspolizei St. Gallen.
Ein erster aus Ungarn kommender Zug mit bis zu 400 Flüchtlingen wurde wenige Stunden später an der Grenze zu Österreich gestoppt. Die bereits in Ungarn registrierten Flüchtlinge sollten nach Budapest zurückgeschickt werden, sagte ein Polizeisprecher. Die anderen könnten weiterreisen.
Züge, darunter der «Wiener Walzer», fuhren auch in die Schweiz. Die Schweizer Grenzwächter übergaben die Ankömmlinge der Kantonspolizei St. Gallen, teilte das Grenzwachtkorps am Montag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda mit.
Die meisten Ankömmlinge kämen aus «Kriegsländern»: aus Syrien, Afghanistan, Irak und auch Iran, sagte Andreas Brunner, verantwortlich für die Umsetzung des Ausländergesetzes bei der Kantonspolizei St. Gallen, auf Anfrage der sda. Wer nach Asyl frage, werde ins Empfangs- und Verfahrenszentrum Altstätten gebracht.
Pro Woche bis zu 200 per Zug in die Schweiz
Migration von Ost nach West in internationalen Zügen gebe es schon seit Jahren, seit Juni 2015 stelle man aber einen starken Anstieg fest, sagte Brunner. Pro Woche kämen derzeit 100 bis 200 Flüchtlinge auf diesem Weg, hauptsächlich in zwei Frühzügen am Morgen.
Bis zu 2000 Menschen harrten seit Tagen in provisorischen Lagern in der ungarischen Hauptstadt aus. Am Montag waren dann keine Sicherheitskräfte mehr zu sehen, die sie von der Weiterreise abhielten. Am Keleti-Bahnhof in Budapest spielten sich chaotische Szenen ab. Viele lagerten auf Decken in den Fluren des Gebäudes.
Ungarn liegt an der sogenannten Westbalkanroute, über die Flüchtlinge aus Syrien und anderen Krisenregionen nach ihrem Eintreffen in Griechenland weiter in westliche EU-Länder gelangen wollen. Nach den gemeinsamen EU-Asylregeln ist Ungarn verpflichtet, alle Einwanderer zu registrieren. Viele Flüchtlinge wollen aber gleich Richtung Westen weiterreisen.
Die EU-Kommission teilte mit, sie beobachte die Lage. Ungarn stehe in der Pflicht, EU-Recht anzuwenden und Flüchtlinge bei ihrer Ankunft insbesondere über die Abnahme von Fingerabdrücken zu registrieren. Wenn Ungarn Schwierigkeiten habe, seine Aussengrenzen zu überwachen, könne die Regierung in Budapest dafür Hilfe beantragen, erklärte eine Kommissionssprecherin. Die EU-Grenzagentur Frontex könne dann Ressourcen bereitstellen und etwa bei der Einrichtung von Registrierungszentren helfen.
Sondergipfel am Freitag in Prag
Nach Kritik an ihrer Haltung in der Flüchtlingskrise wollen die östlichen EU-Staaten Slowakei, Tschechien, Polen und Ungarn ihr Vorgehen auf einem Gipfeltreffen abstimmen. Die Ministerpräsidenten der sogenannten Visegrad-Gruppe werden am Freitag auf Einladung des tschechischen Ministerpräsidenten Bohuslav Sobotka in Prag zusammenkommen, wie ein Regierungssprecher am Montag mitteilte. Die vier Länder gelten als Gegner fester Umverteilungsquoten und als Befürworter einer vergleichsweise harten Asylpolitik.
Wien führte in der Grenzregion wieder Kontrollen ein, um Flüchtlinge in Lastwagen und Kleinbussen ausfindig zu machen und Schlepperbanden zu stoppen. In wenigen Stunden wurden fünf mutmassliche Schleuser aufgegriffen und mehr als 200 Einwanderer entdeckt. Die Regierung reagierte mit den Kontrollen auf den Tod von 71 Flüchtlingen – ihre Leichen waren am Donnerstag in einem abgestellten Kühllastwagen entdeckt worden.