Ungarns Verfassungsgericht kassiert umstrittene Wählerregistrierung

Die in Ungarn umstrittene obligatorische Wählerregistrierung wird nicht zur Anwendung kommen. Das Verfassungsgericht kassierte am Freitag das Gesetz, das erst Ende 2012 vom Parlament beschlossen worden war. Das Urteil ist eine Niederlage für Ministerpräsident Viktor Orban.

Ein Schlappe für Orban: Das Verfassungsgericht kassiert die Wählerregistrierung (Archiv) (Bild: sda)

Die in Ungarn umstrittene obligatorische Wählerregistrierung wird nicht zur Anwendung kommen. Das Verfassungsgericht kassierte am Freitag das Gesetz, das erst Ende 2012 vom Parlament beschlossen worden war. Das Urteil ist eine Niederlage für Ministerpräsident Viktor Orban.

Die neue Vorschrift, dass sich wahlwillige Bürger bis zwei Wochen vor den Wahlen persönlich oder Online am Gemeindeamt anmelden müssen, sei verfassungswidrig, stellten die Obersten Richter des Landes fest.

„Die Registrierungspflicht schränkt das Wahlrecht auf unbegründete Weise ein“, befanden sie auf ihrer öffentlichen Sitzung in Budapest. Das Gesetz hätte auch eine Registrierung per Brief verunmöglicht. Bislang können die Ungarn einfach ins Wahllokal gehen. Dort werden sie anhand von Listen und mithilfe eines Ausweises identifiziert.

Mehrere Bestimmungen gekippt

Das Verfassungsgericht kippte auch andere Einschränkungen des Wahlrechts, die der national-konservative Bund Junger Demokraten (FIDESZ) mit seiner Zweidrittelmehrheit im Parlament durchgesetzt hatte.

So wurde die neue Regel, wonach im privaten Fernsehen und Radio sowie in Kinos keine Wahlwerbung gemacht werden darf, von den Richtern als verfassungswidrig erkannt. Auch Einschränkungen für die Veröffentlichung von Meinungsumfragen vor Wahlen hoben sie auf.

Bereits vor einer Woche hatte das Gericht die Festschreibung der obligatorischen Wählerregistrierung aus den Übergangsbestimmungen der Verfassung gestrichen.

Damals hatten die Richter rein formal argumentiert: substanzielle Bestimmungen dürften nicht in den Endklauseln der Verfassung „versteckt“ werden. Das Urteil vom Freitag bezog sich hingegen auf die inhaltlichen Bestimmungen des neuen Wahlgesetzes.

Ader wird zum Ärgernis für Orban

Anstoss zur Überprüfung gab Staatspräsident Janos Ader. Der Jurist politisiert seit über zwei Jahrzehnten für den FIDESZ. Dennoch hatte Ader das Wahlgesetz an das Verfassungsgericht verwiesen, bevor er es mit seiner Unterschrift in Kraft gesetzt hätte.

Bereits kurz nach seinem Amtsantritt im Mai 2012 hatte Ader sich geweigert, seine Unterschrift unter das umstrittene Mediengesetz zu setzen. Er verwies es wegen eines Formfehlers an das Parlament zurück.

Ader ist Nachfolger des wegen eines Plagiatsskandals zurückgetretenen Pal Schmitt vom FIDESZ. Dieser hatte in seiner fast zweijährigen Amtszeit kein einziges Gesetz beanstandet.

Reform zu Gunsten des FIDESZ

Die Opposition hatte Orban vorgeworfen, mit der Neuregelung das Wahlverhalten beeinflussen zu wollen, um die nächste Parlamentswahlen zu seinen Gunsten zu entscheiden. Diese stehen im Frühjahr 2014 an.

Mit der nun gekippten Wählerregistrierung würden unentschlossene Wähler davon abgehalten, gegen die Regierung zu stimmen. Kritiker warfen Orban auch vor, dieser wolle so bildungsferne und verarmte Schichten von den Urnen fernhalten.

FIDESZ verzichtet offenbar auf Verfassungsänderung

In Ungarn war zunächst darüber spekuliert worden, ob sich Orban über das Urteil hinwegsetzen würde, indem er die Wählerregistrierung in den eigentlichen Verfassungstext aufnehmen lässt. Auch Äusserungen des FIDESZ-Fraktionschefs Antal Rogan hatten zuletzt darauf hingedeutet.

Doch an der FIDESZ-Spitze trat offenbar ein Gesinnungswandel ein. Rogan erklärte kurz nach Bekanntgabe des Urteils: „2014 wird es keine Wählerregistrierung geben.“ Seine Partei hätte zwar die nötige Zweidrittelmehrheit, um an der Registrierung festzuhalten. „Doch Stärke ist nicht alles, die Vernunft diktiert etwas anderes“, erklärte Rogan in Budapest.

Seit Orban 2010 an die Macht kam, hat er den politischen Zugriff auf die Medien verstärkt, die Befugnisse des Verfassungsgerichts beschnitten, privatisierte Pensionsfonds verstaatlicht und ein unabhängiges Kontrollgremium für den öffentlichen Haushalt aufgelöst. Orban hatte deswegen unter anderem bei den EU-Partnern für Irritationen gesorgt.

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