Trotz internationaler Vermittlungsbemühungen in der Ukraine spitzt sich die Lage weiter zu. Moskau zeigte sich unbeeindruckt von Warnungen vor einem neuen Ost-West-Konflikt.
Nach Aussagen ukrainischer Grenzschützer brachte Russland am Montag weitere Truppen am Übergang zur Krim in Stellung. Gepanzerte Militärfahrzeuge seien an einer Meerenge aufgefahren, wo Fähren die Krim mit dem nur 4,5 Kilometer entfernten russischen Festland verbinden.
Zudem seien zehn Kampfhelikopter und acht Truppentransportflugzeuge auf der Halbinsel gelandet, ohne dass die ukrainische Regierung vorab darüber informiert worden wäre. In einigen Teilen der Krim blockiere Russland das Handy-Netz.
Im ost-ukrainischen Donezk besetzten pro-russische Demonstranten Teile eines Gebäudes der Regionalregierung. Der Anführer der Proteste verlangte, das Parlament in Kiew für unrechtmässig zu erklären und einen pro-russischen Gouverneur zu ernennen. Donezk ist die Heimatstadt des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch.
Ukrainische Regierung resolut
Auf der Krim selber herrschte weiter gespannte Ruhe. Das russische Militär hat nach US-Erkenntnissen aber inzwischen die «totale operative Kontrolle» über die Halbinsel. Zudem ordnete Moskau den Bau einer strategisch wichtigen Brücke zwischen Südrussland und der überwiegend von Russen bewohnten Halbinsel an.
Die ukrainische Regierung betonte mit Nachdruck ihren Gebietsanspruch auf die Halbinsel Krim. «Niemand wird die Krim an irgendjemanden abgeben», sagte Regierungschef Arseni Jazenjuk in Kiew. Russland müsse sofort aufhören, auf der Krim durch eine «selbst ernannte illegale Regierung» Druck auszuüben.
Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko warf Russland in einer Videobotschaft vor, «Panik und Instabilität» verbreiten zu wollen. Mit der «Besetzung» der Halbinsel Krim habe Russlands Präsident Wladimir Putin nicht nur der Ukraine, sondern auch «den Garanten unserer Sicherheit, nämlich den USA und Grossbritannien, den Krieg erklärt».
Russland verteidigt sich
Russland verteidigte sein Vorgehen als eine «Frage der Verteidigung unserer Bürger und Landsleute und der Sicherung ihrer Menschenrechte». Bei der Sitzung des UNO-Menschenrechtsrats in Genf warf der russische Aussenminister Sergej Lawrow der Übergangsregierung in Kiew vor, grundlegende Menschenrechte der Russen in der Ukraine zu missachten.
Zuvor hatte Lawrow sich der Unterstützung seines chinesischen Amtskollegen Wang Yi versichert. Die beiden UNO-Vetomächte seien sich «in weiten Teilen einig», teilte das Aussenministerium in Moskau mit.
Auch der neue prorussische Krim-Regierungschef Aksjonow rechtfertigte die Machtübernahme. In Kiew auf dem Maidan hätten Politiker zuletzt das ukrainische Volk aufgerufen, die Macht in die eigenen Hände zu nehmen. Was für die Hauptstadt gelte, müsse auch für die Autonome Republik Krim gelten, sagte Aksjonow der Zeitung «Rossijskaja Gaseta».
Internationale Gemeinschaft empört
Die EU reagiert empört auf die jüngsten Entwicklungen. Die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton rief nach mehrstündigen Beratungen mit den EU-Aussenministern in Brüssel Russland dazu auf, seine Truppen umgehend in die Kasernen und auf die Positionen zurückzuziehen, die sie vor Beginn der Krise innehatten.
Falls es keine Deeskalation durch Russland gebe, sollten die Gespräche über Visa-Erleichterungen und weitere Abkommen ausgesetzt werden, hiess es im Schlussdokument des Treffens.
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy berief für Donnerstag einen Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs ein. Dabei solle beraten werden, wie die Situation im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine «deeskaliert» werden könne, sagte er am Montagabend in Brüssel.
Aus Protest gegen das aggressive Vorgehen Russlands in der Ukraine verzichten die USA wie Grossbritannien auf eine Regierungsdelegation bei den Paralympischen Spielen in Sotschi. US-Athlethen würden an den Winter-Paralympics, die am Freitag in der südrussischen Stadt beginnen, aber weiter teilnehmen, erklärte das Weisse Haus am Montag.
Mögliche Kontaktgruppe
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon warnte derweil am Rande des UNO-Menschenrechtsrats in Genf vor einer weiteren Eskalation des Ukraine-Konflikts. Es sei von grösster Wichtigkeit, zu einem konstruktiven Dialog zu kommen, sagte Ban.
Ausdrücklich begrüsste er die Initiative des Schweizer Aussenministers und amtierenden OSZE-Vorsitzenden Didier Burkhalter, der die Bildung einer Kontaktgruppe zur Vermittlung in dem Konflikt durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) vorgeschlagen hatte.
Der Schweizer OSZE-Sondergesandte Tim Guldimann sagte nach einer OSZE-Sondersitzung in Wien, eine internationale Kontaktgruppe könnte machbar sein. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der russische Präsident Wlaidimir Putin hätten sich nach einem Telefongespräch am Sonntag positiv dazu geäussert.
Burkhalter selber äusserte sich vor den Medien in Genf zunächst noch vorsichtig. Sie trieben die Idee zusammen mit der OSZE weiter voran. In den nächsten Stunden werde sich weisen, ob sich eine Einigung finden lasse.