Knapp drei Wochen nach der Bundestagswahl in Deutschland haben Spitzenvertreter von Christdemokraten und Grünen in einem Sondierungsgespräch eine mögliche Regierungskoalition ausgelotet. Das Abtasten soll kommende Woche weitergehen.
In der ersten Verhandlungsrunde einigten sich die Parteivertreter – 14 Politiker von Union und 8 der Grünen – unter Führung der vier Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) sowie der Grünen Cem Özdemir und Claudia Roth auf ein weiteres Sondierungsgespräch am kommenden Dienstag.
Das erste Treffen fand in Berlin «in guter Atmposphäre» statt, wie CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte. Man habe über die Europapolitik und einen stabilen Euro gesprochen sowie über die Energie-, Gesellschafts- und Integrationspolitik. Zudem sei die Finanzpolitik angesprochen worden und in diesem Rahmen auch unter anderem der Investitionsbedarf in die Verkehrsinfrastruktur.
Noch nicht behandelt wurden am Donnerstag laut Roth wesentliche aussenpolitische Themen wie Rüstungsexporte oder ein Ausbau der Entwicklungszusammenarbeit. Mit Blick auf das Gesprächsklima sagte sie: «Wir kennen uns ja. Es ist ja nicht die Begegnung der unheimlichen ersten Art.» Es habe durchaus auch ähnliche Ansichten in einigen Punkten gegeben, aber eben auch unterschiedliche, sagte Özdemir.
Streit um Flüchtlingspolitik
Scheitern die Gespräche mit den Grünen, bliebe der CDU/CSU nur die Option einer grossen Koalition mit den Sozialdemokraten. Die CDU/CSU hatte die Bundestagswahl zwar mit grossem Abstand gewonnen, die absolute Mehrheit aber knapp verfehlt. Sie braucht einen neuen Partner, weil die bisher mitregierenden Liberalen an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten.
Vor Beginn der Gespräche in Berlin waren die inhaltlichen Gegensätze zwischen beiden Seiten noch einmal am Beispiel der Flüchtlingsfrage deutlich geworden. Die Fraktionsführung der Grünen hatte am Mittwoch nach der Tragödie von Lampedusa eine Änderung der europäischen Flüchtlingspolitik und eine grössere Aufnahmebereitschaft gefordert.
Dagegen verfolgt der zur CSU gehörenden Innenminister Hans-Peter Friedrich eine harte Linie in der Flüchtlingsfrage. Grünen-Politiker Jürgen Trittin warf ihm daraufhin am Donnerstag im TV-Sender N24 einen «Abgrund an Zynismus» vor.
Steuererhöhungen für Besserverdiener
Starke Differenzen gibt es zwischen beiden Seiten auch in der Steuerfrage. Die CDU/CSU hat Steuererhöhungen ausgeschlossen, die Grünen wollen ebenso wie die Sozialdemokraten Besserverdienende und Vermögende stärker belasten. Die Union von Bundeskanzlerin Angela Merkel fühlt sich durch ihr Wahlergebnis bestärkt und betont, dass die Deutschen sich gegen einen «Politikwechsel» entschieden hätten.
Die Grünen hatten bei der Bundestagswahl am 22. September mit nur 8,4 Prozent der Stimmen ein für sie enttäuschendes Ergebnis verbucht. Die alte Fraktionsführung trat daraufhin zurück. Mit 63 Abgeordneten stellen sie die kleinste Fraktion im neuen Bundestag.
Union entscheidet kommende Woche
Am Freitag voriger Woche hatte die CDU/CSU bereits ein erstes Sondierungsgespräch mit den Sozialdemokraten geführt, ein zweites ist für nächsten Montag geplant. Im Lauf der nächsten Woche werden die Christdemokraten dann entscheiden, mit wem sie Koalitionsverhandlungen führen wollen.
Bei der SPD würde ein Parteikonvent am 20. Oktober entscheiden, ob die Partei ein Verhandlungsangebot annimmt. Am Ende dürften dann die SPD-Mitglieder über den fertigen Koalitionsvertrag abstimmen.