Erstes Abtasten in Berlin: In der Auftaktrunde ihrer Koalitionsverhandlungen haben sich Union und SPD am Mittwoch auf das weitere Vorgehen verständigt. Trotz aller Differenzen starteten sie mit festem Einigungswillen in den Verhandlungsmarathon zu einer grossen Koalition.
Nach dem nur anderthalbstündigen Treffen sprach CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe von «einem guten Start». Auch seine Kollegen Andrea Nahles (SPD) und Alexander Dobrindt (CSU) äusserten sich positiv über die Atmosphäre der Beratungen. Dobrindt gab zu Protokoll: «Wir haben uns als erstes alle mal umarmt. Das war sehr hilfreich.»
Die 75 Vertreter der drei Parteien sprachen auf dem Treffen unter Leitung von CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel, SPD-Chef Sigmar Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer über organisatorische Fragen. «Die Arbeitsstrukturen stehen jetzt», sagte Nahles im Anschluss.
Zunächst sind nun zwölf Arbeitsgruppen mit vier weiteren Untergruppen am Zug. Am 30. Oktober soll es in grosser Runde um Europa gehen. Im November sind acht Sitzungen in grosser Runde geplant – laut Verhandlungskreisen am 5., 7., 11., 13., 19., 21., 26. und 27. des Monats.
Europa am Anfang
Gleich zu Beginn steht das Thema Europa auf dem Programm. So wollen die Generalsekretäre in der nächsten Runde mit Blick auf die anstehenden EU-Ministertreffen gemeinsame Positionen abstecken.
Auf EU-Ebene stehen bis Weihnachten wichtige Entscheidungen etwa zur Bankenunion, der Aussen- und Sicherheitspolitik oder dem von Merkel angestrebten Pakt für Wettbewerbsfähigkeit an. Bereits in der ersten Runde vereinbarten die drei Parteien eine Entscheidergruppe aus neun Unions- und sechs SPD-Vertretern.
In den kommenden Wochen sollen dann Themen wie Energie, Arbeit und Soziales oder Umwelt ausgelotet werden. Entscheidungen werden in der grossen Runde gefällt. «Die grosse Runde löst grosse Probleme», sagte Dobrindt. Als zentrale Punkte der Verhandlungen gelten eine Mindestlohn-Regelung, die Umsetzung der Energiewende sowie die Höhe und Finanzierung von Investitionen in Infrastruktur und Bildung, von denen die Bundesländer profitieren wollen.
Abschluss «in vier Wochen»
Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen appellierten Merkel, Gabriel und Seehofer an die Unterhändler, gemeinsam rasch zu Ergebnissen zu kommen, um bald eine stabile Regierung zu formen.
SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann zeigte sich optimistisch, dass die Verhandlungen «in vier Wochen» zu schaffen seien. «Wir werden vor Weihnachten eine Bundesregierung haben», sagte auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Die Verhandlungen sollen Ende November abgeschlossen sein.
Die Koalitionsverhandlungen sollen am kommenden Mittwoch im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Zentrale, fortgesetzt werden. Mit Blick auf die aussergewöhnlich grosse Verhandlungsrunde – bei den Gesprächen über die grosse Koalition von 2005 bis 2009 waren es nur 32 Unterhändler – sagte Nahles: «Das ist jetzt zwar gross, aber dafür umso stabiler und tragfähiger hinterher.»