Nach der Veröffentlichung des Senatsberichts über die Folterverhöre des US-Geheimdienstes CIA fordert die UNO strafrechtliche Konsequenzen. Auch zahlreiche Menschenrechtsorganisationen und Politiker forderten am Mittwoch Konsequenzen. Ex-CIA-Agenten verteidigten sich.
«Jetzt ist die Zeit zu handeln – die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden», forderte der UNO-Sonderberichterstatter für Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte, Ben Emmerson, am Mittwoch in Genf.
Die US-Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) erklärte, es sei «empörend», dass die US-Regierung «an diesen schrecklichen Verbrechen beteiligt» gewesen sei.
Die britische Organisation Cage, die sich dem Kampf gegen den «Krieg gegen den Terror» verschrieben hat, erklärte, es gebe «klare Beweise», die eine Strafverfolgung rechtfertigten.
CIA: Regierung war eingebunden
Der Senatsbericht war am Dienstag nach langem Ringen zwischen Parlament und Geheimdiensten veröffentlicht worden. Die Öffentlichkeit erhält damit einen detaillierten Einblick, wie die CIA unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ein weltweites System von Geheimgefängnissen aufbaute.
In ihnen wurden mutmassliche Anhänger des Terrornetzwerks Al-Kaida in einem praktisch rechtsfreien Raum festgehalten und brutal verhört. Aus Angst vor Anschlägen hatten die USA vor der Veröffentlichung ihre Botschaften in Alarmbereitschaft versetzt.
Frühere CIA-Agenten kritisierten den Bericht und verteidigten ihr Vorgehen. Der Report enthalte «Fehler» hinsichtlich Fakten und Interpretation der CIA-Arbeit und widerspreche «der Realität», erklärte eine Gruppe früherer Agenten auf der Internetseite CIASavedLives.com (Die CIA hat Leben gerettet). Das CIA-Programm habe auch dabei geholfen, Terrorchef «Osama bin Laden zu finden».
Die CIA-Vertreter betonten ausserdem, dass das Weisse Haus und das Justizministerium von Beginn an eingebunden gewesen seien. Ex-CIA-Chef George Tenet erklärte, der Präsident habe das Programm geleitet. Auch die Kongressführung sei unterrichtet worden. In dem Senatsbericht hiess es hingegen, Bush habe erst im April 2006 von den Verhörmethoden erfahren.
Krasser Widerspruch zu Werten der USA
Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein sprach von «Brutalität, die in krassem Widerspruch zu unseren Werten als Nation steht.» Und weiter: «So etwas tun Amerikaner nicht», sagte die Ausschussvorsitzende, die sich für die Veröffentlichung stark gemacht hatte.
Der prominente republikanische Senator John McCain distanzierte sich von den Methoden, während CIA-Chef John Brennan und zahlreiche Republikaner die Praktiken als für den Schutz des Landes nötig hielten.
US-Präsident Barack Obama, der das CIA-Programm bereits nach seinem Amtsantritt 2009 beendet hatte, sprach erneut von «brutalen» Praktiken. Viele Verantwortliche hätten nach den Anschlägen 2001 in einer unsicheren Zeit «sehr hart für unsere Sicherheit gearbeitet», sagte er dem Sender Telemundo. Jedoch seien dabei Schritte unternommen worden, «die unseren Werten widersprechen».
Polen räumt Zustimmung ein
Polens früherer Präsident Aleksander Kwasniewski räumte am Mittwoch ein, mit seiner Zustimmung habe die CIA auch in Polen «geheime Einrichtungen» betrieben. Er verteidigte gleichzeitig die Zusammenarbeit polnischer und amerikanischer Sicherheitsdienste.
«Es gab eine Zusammenarbeit der Sicherheitsdienste, aber keine Zustimmung zu Folter,» sagte er am Mittwoch im polnischen Rundfunksender TOK FM. Die polnische Staatsanwaltschaft ermittelt seit 2008 zu den Foltervorwürfen und forderte nun, den gesamten, ungekürzten Senatsbericht einsehen zu können.
Bestätigung von Dick Martys Bericht
Der Europarat hatte bereits 2007 eine Untersuchung vorgelegt, wonach die CIA zwischen 2003 und 2005 Geheimgefängnisse in Polen, Rumänien und anderen osteuropäischen Ländern unterhalten hatte. Der Bericht war unter der Federführung des ehemaligen Tessiner Ständerats und Sonderberichterstatter des Europarats Dick Marty verfasst worden.
Die Regierungen beider Länder bestritten zunächst die Existenz derartiger Gefängnisse. Der Europarats-Ausschuss, der mit der Untersuchung beauftragt war, sah die Existenz dieser Geheimgefängnisse jedoch als erwiesen an, ebenso wie eine aktive Beteiligung europäischer Länder an den Entführungen von Terrorverdächtigen. Nach Martys Überzeugung dienten auch einige Flüge über die Schweiz der Verschleppung solcher Verdächtigen.
Der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, lobte am Mittwoch entsprechend die «Transparenz» des Berichts und das klare Bekenntnis von Obama, dass solche Methoden der Vergangenheit angehörten.