Der Internationale Gerichtshof hat den seit Jahrzehnten umstrittenen Bezirk um den Tempel Preah Vihear vollständig Kambodscha zuerkannt. Thailand müsse seine Soldaten und Polizeikräfte aus der Region abziehen, urteilten die höchsten UNO-Richter heute in Den Haag.
Damit präzisierten sie ein früheres Urteil von 1962. Der Hindutempel aus dem 11. Jahrhundert – ein von der Unesco geschütztes Weltkulturerbe – war nicht umstritten, Thailand hatte die Hoheit Kambodschas darüber widerwillig anerkannt. Es ging lediglich um ein von beiden Ländern beanspruchtes 4,6 Quadratkilometer grosses Gebiet direkt daneben, um das mehrfach gekämpft wurde.
2011 waren bei Kämpfen in dem Gebiet um den Hindu-Tempel 18 Soldaten und Zivilisten getötet und Tausende Anwohner vertrieben worden. Beide Seiten haben in Tempelnähe Soldaten stationiert und Bunker gebaut. Noch am Samstag hatte Kambodscha gegen Aufklärungsflüge der thailändischen Luftwaffe über das Gebiet protestiert.
Thailand hatte zwar Kambodschas Souveränität über den Tempelbezirk akzeptiert. Doch die Besitzverhältnisse im Umland blieben diffus. Nach den Kämpfen 2011 verlangte Kambodscha deshalb vom Gericht eine Klärung des genauen Grenzverlaufs. Ohne das umstrittene Gebiet wäre es schwierig, den Tempel wie geplant als Touristenattraktion auszubauen.
Werk der Kolonialherren
Das UNO-Gericht stellte nun fest, dass Thailand den ungehinderten Zugang zu dem Tempel sicherstellen müsse. Beide Seiten seien verpflichtet, den Konflikt friedlich zu lösen, erklärte der Vorsitzende Richter Peter Tomka. «Kambodscha und Thailand müssen kooperieren, um das kulturelle Erbgut zu schützen.»
Der Preah Vihear-Tempel liegt auf einem Kliff. Die französischen Kolonialherren hatten 1904 eine Grenze gezogen, die aber nicht wie üblich der Wasserscheide entspricht. Dadurch liegt der Tempel zwar in Kambodscha, ist aber dort durch das Kliff schwer zugänglich.