Die Energiestrategie 2050 spaltet die Wirtschaft. Bisher waren vor allem die Kritiker zu hören, nun melden sich die Befürworter zu Wort. Sie gehen damit auf Distanz zum Wirtschaftsdachverband economiesuisse, der einen Marschhalt fordert.
«Ein Marschhalt ist ein absolutes No-Go», sagte Wolfgang Schwarzenbacher, Chef der Gebäudetechnik-Firma Cofely, am Freitag vor den Medien in Bern. Die Befürworter der Energiestrategie aus der Wirtschaft haben sich zur Allianz «Schweizer Wirtschaft für die Energiestrategie 2050» zusammengeschlossen und starten unter dem Motto «Dranbleiben» eine Informationskampagne.
Sie wollen aufzeigen, dass der Umbau des Energiesystems nicht nur wünschbar, sondern auch machbar und finanzierbar ist. Mit dabei sind Branchenverbände wie Holzbau Schweiz und ARE SUISSE, die Dachorganisation der Wirtschaft für erneuerbare Energien und Energieeffizienz, aber auch Stromversorger wie die BKW und die in Swisspower zusammengeschlossenen Stadtwerke. Auf der Liste finden sich ferner die SBB sowie Tourismus-Unternehmen.
Wirtschaftsfreundliches Generationenprojekt
Alle beteiligten Unternehmen zeigen sich überzeugt, dass an der Energiestrategie 2050 kein Weg vorbei führt. Die Schweiz werde damit langfristig aus der Abhängigkeit von fossilen und nuklearen Energieträgern befreit, hält die Allianz fest. Die Steigerung der Energieeffizienz und der schrittweise Ausbau erneuerbarer Energien sicherten den Wohlstand. Die Energiestrategie sei ein «wirtschaftsfreundliches Generationenprojekt».
Schwarzenbacher sprach gar von einem «Konjunkturprojekt». Die Energiewende, die bereits stattfinde, schaffe Arbeitsplätze. Angesichts der heute niedrigen Sanierungsrate sei eine Sanierungswelle zu erwarten, und diese werde sich lohnen. Das Energiesparpotenzial sei riesig, über 40 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs gehe auf das Konto der Gebäude.
Kurzfristiges Denken bei Gegnern
Für jene Stimmen aus der Wirtschaft, die vor den Kosten warnen, haben die Befürworter der Energiestrategie wenig Verständnis. Hans Rupli, Präsident von Holzbau Schweiz, warf ihnen kurzfristiges Denken vor. Es gehe um Investitionen in die Zukunft, welche mittel- und langfristig die Wettbewerbsfähigkeit sicherten.
Natürlich könne man den Vertretern der Energie- und Gebäudebranche vorwerfen, sie unterstützten die Energiestrategie, weil sie zu den Profiteuren gehörten, stellte Rupli fest. Doch es gehe auch um den volkswirtschaftlichen Nutzen und um Verantwortung. Der Ressourcenverbrauch müsse sinken.
Plakatkampagne und Abstimmungskampf
Ab Montag werden in der Schweiz Plakate der «Schweizer Wirtschaft für die Energiestrategie 2050» zu sehen sein. Die Allianz hat sich zum Ziel gesetzt, einfach und konkret über deren Nutzen zu informieren. Sie will aufzeigen, was heute bereits möglich ist – beispielsweise Gebäude mit positiver Energiebilanz.
Dabei hat die Allianz durchaus auch schon einen möglichen Abstimmungskampf im Blick, wie Kurt Frei, Chef der Firma Flumroc, sagte. Bis es soweit ist, will sie weitere Unternehmen für die Kampagne gewinnen. Die Verantwortlichen zeigen sich zuversichtlich, räumen aber ein, dass sie auch Absagen erhalten haben, unter anderem von Detailhändlern und Banken. Diese lehnten die Energiestrategie zwar nicht ab, sähen sich derzeit aber nicht in der Allianz.
Ständerat am Zug
Vorerst ist noch das Parlament am Zug: In der kommenden Herbstsession befasst sich der Ständerat als Zweitrat mit der Energiestrategie. Seine Kommission hat die Vorlage ohne Gegenstimmen angenommen, aber etliche Änderungen angebracht.
Anders als der Nationalrat will sie etwa die Laufzeit der ältesten Atomkraftwerke nicht begrenzen. Auch hat sie die Effizienzanreize für Stromversorger gestrichen. Hier wünscht sich die Allianz noch Verbesserungen. Mit der Stossrichtung aber ist sie zufrieden.
Die Gegner der Energiestrategie warnen ihrerseits vor Schaden für die Wirtschaft. Die Forderung nach einem Marschhalt wurde nach dem Entscheid der Nationalbank zur Aufhebung des Euromindestkurses laut. Die Wirtschaft dürfe angesichts des starken Frankens nicht zusätzlich belastet werden, befand economiesuisse-Präsident Heinz Karrer. Im Parlament wird dieses Argument von SVP- und FDP-Vertretern vorgebracht.