Unterschriften und Gewalt erschüttern Ägypten

Vor den für Sonntag angekündigten Protesten in Ägypten ist es landesweit zu schweren Ausschreitungen gekommen. Seit Freitag wurden bei Zusammenstössen zwischen Gegnern und Anhängern von Präsident Mohammed Mursi mindestens vier Menschen getötet und rund 130 verletzt.

Unterstützer von Präsident Mursi gewappnet gegen Angriffe in Kairo (Bild: sda)

Vor den für Sonntag angekündigten Protesten in Ägypten ist es landesweit zu schweren Ausschreitungen gekommen. Seit Freitag wurden bei Zusammenstössen zwischen Gegnern und Anhängern von Präsident Mohammed Mursi mindestens vier Menschen getötet und rund 130 verletzt.

Zu den Todesopfern vom Freitag zählte auch ein 21-jähriger US-Bürger, wie das US-Aussenministerium bestätigte. Demnach handelte es sich um einen Praktikanten der gemeinnützigen US-Organisation AMIDEAST. Nach ägyptischen Behördenangaben wurde er erstochen, als er während der Proteste in Alexandria Fotos machte.

In der Stadt wurde zudem ein Ägypter getötet, und ein bei früheren Protesten verwundeter Mann erlag am Samstag seinen Verletzungen. In Port Said am Suez-Kanal starb ein ägyptischer Journalist, als Unbekannte einen Sprengsatz warfen.

In Alexandria und in der Provinz al-Dakahlija wurden ausserdem Büros der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit, dem politischen Arm der Muslimbrüder, in Brand gesteckt, ein weiteres in Beheira wurde gestürmt.

Auf dem Tahrir-Platz in Kairo harrten am Samstag weiterhin hunderte Gegner Mursis aus. Seine Anhänger hielten sich zu Tausenden weiterhin vor der Moschee Rabaa al-Adawija im Kairoer Vorort Nasr City auf.

EDA mahnt zu Vorsicht

Angesichts der Unruhen liessen die USA einen Teil ihres Botschaftspersonals ausreisen. Zudem empfahl das US-Aussenministerium, nach Möglichkeit von Reisen in das nordafrikanische Land abzusehen. Das Schweizer Aussenministerium in Bern (EDA) mahnte am Samstag Ägypten-Reisende zu Vorsicht und dazu, grössere Ansammlungen von Menschen zu meiden.

Am Sonntag jährt sich Mursis Amtsantritt zum ersten Mal. Seine Gegner planen für den Tag Massenkundgebungen. Sie fordern Mursis Rücktritt und eine vorgezogene Präsidentschaftswahl. Mursis Kritiker werfen ihm insbesondere vor, die Gesetzgebung nach den Prinzipien des Islams verändern zu wollen und damit die Revolution von 2011 gegen den langjährigen Machthaber Husni Mubarak zu verraten.

22 Millionen Unterschriften gegen Mursi

Die Kampagne Tamarod sammelte nach eigenen Angaben mittlerweile mehr als 22 Millionen Unterschriften für einen Rücktritt Mursis sowie eine vorgezogene Präsidentschaftswahl. Mursis Unterstützer halten die Petition für ungültig. Seine Amtszeit endet offiziell erst 2016.

Am Samstag traten mehrere Parlamentarier von ihrem Posten zurück, um die Opposition zu unterstützen. Mindestens acht Abgeordnete der Schura, dem Oberhaus des Parlaments, legten ihre Mandate nieder und mehrere weitere reichten nach Angaben der Volksvertretung ein entsprechendes Gesuch ein.

Die Opposition hat unter anderem auf dem Platz und vor dem Präsidentenpalast anlässlich des ersten Jahrestages von Mursis Amtsantritt für diesen Sonntag Millionen Anhänger aufgerufen, für Neuwahlen zu demonstrieren. Es drohen blutige Konfrontationen mit den Islamisten.

Warnung vor Gewalteskalation

Einflussreiche Geistliche warnten eindringlich vor einer weiteren Eskalation der Gewalt. «Wachsamkeit ist gefordert um sicherzustellen, dass wir nicht in einen Bürgerkrieg abgleiten», teilte die für sunnitische Muslime massgebliche Al-Azhar-Universität in Kairo mit.

Das Militär, das eine entscheidende Rolle beim Aufstand vor zwei Jahren innehatte, kündigte an, erneut einzugreifen, sollte die Gewalt überhand nehmen. Man werde den «Willen des Volkes» verteidigen, hiess es. Auf welche Seite sich die Armee stellen würde, ist schwer einzuschätzen.

Ziel der Opposition ist der Rücktritt Mursis. Die islamistische Führung des Landes lehnt Neuwahlen aber ab. Die säkulare Opposition wirft Mursi und den islamistischen Muslimbrüdern vor, die Ideale der Revolution von 2011 zu verraten und einen ähnlich autoritären Staat wie unter Mubarak anzustreben.

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