Unterwegs in Basel – ein offener Brief an alle

Basler Jugendliche tauschen sich seit Frühling 2014 mit lokalen Politikern aus – in Form von Brieffreundschaften. Hier geben sie Einblicke in ihre Gedanken zum Zustand unserer Stadt. Liebe Leser, liebe Basler, wir stecken fest. Wir stehen im Stau, vor einer Baustelle, in einer Umleitung, vor Absperrungen, zwischen Polizisten, stehenden Autos und stehenden Fussgängern. (Immerhin: Weder […]

Herausgezoomt: Was bedeuten die Roche-Milliarden für Quartier und Stadt?

Basler Jugendliche tauschen sich seit Frühling 2014 mit lokalen Politikern aus – in Form von Brieffreundschaften. Hier geben sie Einblicke in ihre Gedanken zum Zustand unserer Stadt.

Liebe Leser, liebe Basler,

wir stecken fest. Wir stehen im Stau, vor einer Baustelle, in einer Umleitung, vor Absperrungen, zwischen Polizisten, stehenden Autos und stehenden Fussgängern. (Immerhin: Weder über noch als Velofahrer wollen wir uns an dieser Stelle beschweren.)

Einige werden vielleicht sagen: «Ist doch gut! Das Autofahren wird so unattraktiver!» Aber seien wir ehrlich, wer gerne Auto fährt, der wird nicht einfach plötzlich den Zug oder das Tram nehmen. Im Übrigen entstehen viel mehr Abgase, wenn die Autos so lange stehen müssen. Auch führen die vielen Baustellen nur dazu, dass die Fahrer ungeduldig werden und sich irgendwo reindrängen oder sogar unachtsamer werden.

Bleiben wir also stehen. Die Stadt scheint farblos. Leblose, graue Wände, selten von Street Artists bemalt, weil diese Repressionen befürchten müssen. Wir sehen viele Polizisten, aber was sehen sie? Wieso werden Strassenmusiker, Fahrradfahrer und Kiffer so oft kontrolliert, während die politische Rechte sich über zu wenig Polizei beklagt? Wieso gibt es so viele Einbrüche?

1991 schrieb Max Frisch: «Observiert wird ein Schweizer, wenn er nicht die Meinung der Neuen Zürcher Zeitung und ihrer ländlichen Verwandten teilt. Das heisst: Was sich als Staats-Schutz gebärdet, ist eine Bürgerblock-Polizei, also eine Partei-Polizei.»

Heute machen das verstockte Verhältnis zur linken Szene, zu Häuserbesetzung, illegalen Parties und die politische Diskussion über eine flächendeckende Überwachung Sorgen. Ohne die Polizei-Grosseinsätze scheint die Überwachungssituation in Basel verständlich und annehmbar – nur von Zeit zu Zeit vielleicht übertrieben.

«Veranstaltungen wie jene der OSZE halten wir nicht für die richtige Richtung einer Stadtentwicklung.»

Während des OSZE-Ministertreffens beispielsweise mussten Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, die die Lebensqualität der Einwohner nur negativ beeinflussen konnten.

Tief fliegende bewaffnete Helikopter, ein immenses, allgegenwärtiges Aufgebot an Polizei- und Armeeangehörigen und Einschränkungen im öffentlichen Verkehr fördern weder die Lebensqualität von Basels Einwohnern noch die der Touristen!

Es gibt zu viele Menschen in Basel, um Konferenzen dieser Art hier durchzuführen. Wir halten das nicht für die richtige Richtung einer Stadtentwicklung!

Mehr Freude und Freundlichkeit auf den Strassen

Wichtiger als das Mittragen solcher Grosseinsätze ist doch ein ganz anderer Einsatz füreinander: Wir wollen ein Basel mit genügend Anlaufstellen für Obdachlose, wo sie sich vor Wind und Wetter schützen können. Die Möglichkeit, in Cafés eine zusätzliche Tasse Kaffee zu spendieren oder umsonst geniessen zu können, ist ein tolles Angebot und sollte noch viel weiter ausgebaut werden.

Wir wünschen uns von Basel auch mehr Freude und Freundlichkeit auf den Strassen. Wer am Morgen ins Tram steigt und von jemandem freundlich angelächelt wird, hat einen guten Start, um den Tag zu beginnen.

Liebe Leute: Wir alle haben einmal eine schlechte Zeit. Aber wir alle sind Basel, wir sollten uns alle etwas unterstützen und sei es mit einem Lächeln. Auch das macht eine Stadt attraktiv!

Edi Wolf, Leonie Leopard, Max Marder, Sara Adler* 

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* Namen geändert. Wolf, Leopard, Marder und Adler korrespondieren seit Frühling 2014 mit fünf Politikern aus dem Grossen Rat über Themen, die sie beschäftigen. Erst bei der Lesung im Januar wird klar, wer hinter welchem Pseudonym und wer in welcher Partei steckt. Dann erfährt man auch, was die jeweiligen Lebensrealitäten miteinander zu tun haben und wo sie sich beeinflussen. Das Ergebnis wird am 15. und 18.1. um 19 Uhr im Unternehmen Mitte in Form von szenischen Lesungen präsentiert. 

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