Hoppla! Leser Marcus Tschudin stolpert mit Johann Peter Hebel durch eine Stadt voller Baustellen und fragt sich: «Z Basel an mi’m Rhi, möchti dört no sy?»
Bei einem Rundgang durch Basel musste ich kürzlich unversehens an den Dichter Johann Peter Hebel denken. An den Verfasser der «Allemannischen Gedichte» und des «Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreundes», der am 10. Mai 1760 im Haus Totentanz Nummer 2 geboren wurde, woran eine mit goldenen Lettern prunkende Gedenktafel über der Tür der schmalen Liegenschaft erinnert.
Ich spaziere und flaniere nämlich wieder mal durch das frühsommerliche Basel; genauer gesagt, ich irre, mäandere und stolpere durch ungezählte Baustellen.
«Z Basel an mi’m Rhi, io dört möchti sy!» reimte der Poet, Prälat und Pädagoge in seinem populären Gedicht «Erinnerung an Basel», das inzwischen zum gern gesungenen Lokalhit geworden ist. Im Zuge meines an ein Hindernisrennen erinnernden Bummels, beginne ich zwar an diesem idyllischen Loblied auf die Rheinstadt mehr und mehr zu zweifeln. Allenthalben Kräne und Bulldozer, Bagger und Schuttmulden, Absperrungen und Umleitungen, Gräben und Gruben, Kompressoren und Presslufthämmer, Betonmischer und Teermaschinen.
Der Soundtrack zum Text:
Der Marktplatz am Nordende verwüstet, die Gerbergasse eingebrettert und einseitig aufgerissen, der Durchgang bei der Hauptpost abgeriegelt, die Hut- und die Rüdengasse mit Mulden verstellt, der Klosterberg und die Sattelgasse abgesperrt, die Dufourstrasse beim Kunstmuseum verstopft und verrammelt, die Sevogelstrasse verbarrikadiert und chaotisch versignalisiert, das Brunngässlein mit Lastwagen, Metallgittern, Absaugvorrichtungen und Stromkabeln erdrosselt, die Passanten auf die Strasse genötigt, an die Hauswände gedrängt und auf gegenüberliegende, von Lieferwagen besetzte Trottoirs verwiesen.
Es wird gebuddelt, gehämmert, gebohrt, gefräst, geschweisst und gerammt, dass die Funken sprühen und die Fetzen fliegen. Die von Hebel gepriesene milde und laue Luft ist erfüllt von endzeitlichem Rattern, Kreischen und Dröhnen.
In Basel wird gebuddelt, gehämmert, gebohrt, gefräst, geschweisst und gerammt.
Reparatur- und Unterhaltsarbeiten seien nun mal unabding- und unaufschiebbar, Aufbruch und Abbruch seien vonnöten, der Fortschritt lasse sich nicht aufhalten, die Entwicklung Basels als Zentrum der Region sei eine Daueraufgabe blablabla, muss ich mich von bramarbasierenden Behörden, pseudovisionären Stadtplanern und profitorientierten Baufachleuten belehren lassen. Ich dürfe nicht vergessen, schulmeistert man mich, dass der permanente ohrenbetäubende Lärm und der penetrant tränentreibende Staub letztlich einer höheren Lebensqualität dienten.
Selbige verspricht man uns allerdings schon seit Jahrzehnten. Erreichen werden wir sie wohl nie, weil wirtschaftliche Sachzwänge und politische Schachzüge es offenbar erfordern, sie durch dauernde Lebensqual zu ersetzen.
Aber zurück zu Johann Peter Hebel. «Z Basel an mi’m Rhi, io dört möchti sy!» Naja, ich weiss nicht, ob ihm das heute auch noch so enthusiastisch aus dem Gänsekiel fliessen würde. Ich jedenfalls, der ich Basel liebe und an Basel leide, bin versucht, den 1826 verstorbenen Sänger des Wiesentals einigermassen resigniert zu variieren: «Z Basel an mi’m Rhi, möchti dört no sy?» Hoppla!
Vor lauter Sinnieren, Kritisieren und Lamentieren bin ich über eine auf dem Trottoir liegende Kabelrolle gestrauchelt. Voll ausgehebelt!
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