Leverkusen und Admir Mehmedi – eine Liebe auf den zweiten Blick? Gut möglich, dass der Schweizer Nationalspieler mit Bayer, das am Samstag in Bremen gastiert, in der Bundesliga durchstartet.
Er studiert keine Jubeltanzbewegungen ein und kostümiert sich nicht mit einer Batman-Gesichtsmaske, um den Torrausch auszuleben. Mehmedi macht intuitiv nur das, was er für nötig hält, und fährt auch ohne Extravaganz gut. Das war bis 2011 beim FC Zürich so, in Kiew oder Freiburg verhielt er sich nicht anders. Von seinem authentischen Stil weicht er auch in der hoch dotierten Werkself nicht ab – unverstellt, ehrlich, uneitel.
Auf PR-Berieselung in eigener Social-Media-Sache verzichtet der gebürtige Mazedonier mit 49 Länderspielen für die Schweiz. Er braucht keinen Imageberater, weil er selber abschätzen kann, was in der Öffentlichkeit zu verantworten ist. Seine Statements werden nicht im keimfreien Agenten-Office entworfen; seine Wortmeldungen sind unverfälscht, sie passen zu ihm – sachlich, oft sogar im charmanten Ton.
Spannende Eckdaten
Mehmedi ist so normal, dass er im mondänen Zirkus der Unüberhörbaren, Spektakulären, Selbstbewussten, bisweilen narzisstisch Veranlagten dann und wann unterzugehen droht. Dabei hätte er in seinem Palmares ein paar spannende Eckdaten zu bieten, die nicht mancher 25-Jähriger vorzuweisen hat. Mehmedi gehörte innerhalb von fünf Jahren an vier Endrunden auf EM-, WM-, Olympia- und U21-Niveau ausnahmslos zum Stamm der SFV-Auswahl und schoss pro Turnier mindestens ein Tor.
Urs Fischer, einst sein Mentor in Zürich und mittlerweile der Taktgeber beim FC Basel, Ex-U21-Coach Pierluigi Tami, später Ottmar Hitzfeld, seit über zwei Jahren Vladimir Petkovic und nun in der zweiten Bayer-Saison Stratege Roger Schmidt – sie alle haben den Wert Mehmedis früher oder später erkannt. Manchmal sofort und übersehbar, teilweise zögerlich und fast schon klammheimlich erarbeitete sich Mehmedi den Zuschlag seiner jeweiligen Chefs, auf ihn zu setzen.
Kunst ohne Schnörkel
Stammplatzforderungen zu platzieren wäre mit seiner professionellen Haltung unvereinbar. Seine gemässigte Entourage käme kaum jemals auf die Idee, ein mediales Powerplay zu inszenieren. Mehmedi sind verlässliche Zahlen lieber, er zieht Fakten Interpretationsspielräumen partout vor. Für ihn sprechen wunderbare Tore wie das 2:0 gegen Portugal oder das 1:1 an der EM gegen Rumänien. Kunst ohne Schnörkel, simpel und doch anspruchsvoll. Mehmedi pur, nichts Kapriziöses. Schwierig ja, aber bitte nicht zu kompliziert.
Nicht immer kommen Beobachtern des offensiven Mittelfeldspielers dessen Stilsicherheit und Leichtigkeit in den Sinn. Haften blieb in seinem Fall oft der Stillstand in der Entwicklung, die Dellen der Laufbahn, das zermürbende Warten in der zweiten Reihe, der Abstieg mit Freiburg. Mehmedi hat die weniger attraktiven Episoden seinerseits nicht vergessen. «Für mich waren es spannende Bewegungen. Es ging ja auch darum, nach Fehlern wieder zurückzukommen, wieder aufzustehen.»
Die hohe Lebensqualität
Seit der Sommerpause stürmt er vergleichsweise aufrecht über die Plätze Europas. Aus dem rastlosen Bayer-Joker ist auch wegen vereinzelter Ausfälle eine belastbare Führungsfigur geworden. Roger Schmidt vertraut ihm. Mehmedi trifft in der Liga, er skort in der Champions League; am makellosen Start zur WM-Kampagne des Nationalteams ist er mit zwei Toren hauptbeteiligt.
«Ich habe momentan eine gute Phase.» Wegen der eigenen Hochlage verliert Mehmedi die Contenance nicht einmal ansatzweise. Er stuft ein, schätzt ab. «Je besser es privat und beruflich läuft, desto höher ist die Lebensqualität.» Fröhlich sei er, nicht euphorisch. Mehmedi kennt die Fallhöhe im unerbittlichen Tagesgeschäft. «Der Konkurrenzkampf ist enorm. Man muss sich hier jeden dritten Tag von Neuem beweisen.»
Mehmedi hat den Hightech-Modus der Bayer-Crew begriffen und verinnerlicht. Er hat keine Lust darauf, intern wieder von irgendjemandem passiert zu werden. Der Zürcher will auf der Überholspur bleiben. «Mein Ziel ist die Konstanz. Ich bin noch nicht zuoberst angekommen. Ich habe noch Potenzial und viel harte Trainingseinheiten vor mir.» Im Bayer-Werk mögen sie bodenständige Arbeiter wie ihn.