Vor der Volksbefragung in der Ostukraine über eine Abspaltung von Kiew stehen die Zeichen auf Konfrontation. Unbeirrt bereiteten prorussische Separatisten am Freitag ihr Referendum vor – ungeachtet einer Bitte des russischen Präsidenten Wladimir Putin um Verschiebung.
Dieser sandte nach zuletzt mässigenden Tönen aber auch ein provozierendes Signal Richtung Westen: Im Anschluss an die traditionelle Militärparade in Moskau zum Tag des Sieges über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg reiste er demonstrativ auf die abtrünnige ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim, die Russland im März annektiert hatte.
Es war Putins erster Besuch auf der Krim seit dem international nicht anerkannten Anschluss Mitte März und ein Signal der Stärke. Er nahm dort eine Parade von 10 Kriegsschiffen sowie 70 Kampfflugzeugen und Helikoptern zum Tag des Sieges über den Hitlerfaschismus ab.
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bezeichnete den Besuch inmitten der Ukraine-Krise als unangemessen. Auch die ukrainische Übergangsregierung protestierte.
Rund 20 Tote in Mariupol
Bei Kämpfen zwischen ukrainischen Sicherheitskräften und prorussischen Separatisten in der südostukrainischen Hafenstadt Mariupol wurden nach Angaben des ukrainischen Innenministers Arsen Awakow rund 20 Aufständische getötet. Separatisten hätten versucht, das Polizeipräsidium zu stürmen, teilte der Minister am Freitag mit. Dabei haben es in dem Gebäude heftige Feuergefechte gegeben.
Zuvor hatte die Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine gemeldet, Polizisten hätten versucht, das von Separatisten besetzte Gebäude zurückzuerobern. Das Gebäude sei in Brand geraten, sagte der Abgeordneter.
Medien berichteten, Separatisten hätten einen Panzer im Zentrum besetzt und Barrikaden rund um die Stadt, die in der von Separatisten ausgerufenen «Volksrepublik Donezk» liegt, errichtet. Es gebe heftige Kämpfe.
Kiew entgleitet Kontrolle über Ostukraine
In den Regionen Donezk und Lugansk in der Ostukraine ist den Behörden die Kontrolle trotz der seit Tagen andauernden «Anti-Terror-Operation» der Armee weitgehend entglitten. Prorussische Separatisten riefen dort zwei «Volksrepubliken» aus.
Nach Angaben lokaler ukrainischer Behörden fehlen Einsatzkräfte, um das von den prorussischen Kräften für Sonntag angesetzte Referendum zu verhindern. Das Bürgermeisteramt der Grossstadt Donezk teilte mit, aus Sicherheitsgründen werde nicht versucht, die Separatisten von der Einrichtung von Abstimmungslokalen etwa in Schulen abzuhalten. Allen Mässigungsappellen zum Trotz ordnete die Regierung in Kiew indes an, dass ihre Soldaten die Separatisten weiter bekämpfen sollen.
Abstimmung über Abspaltung
Mehr als drei Millionen Menschen in den russisch geprägten Gebieten Donezk und Lugansk sollen am Sonntag entscheiden, ob sie eine Abspaltung vom Rest des Landes unterstützen. Gestellt wird die Frage nach einer staatlichen Eigenständigkeit der Region. Die Europäische Union und die USA lehnen die Abstimmung ab, ebenso die offiziellen Vertreter der Zentralregierung.
Frankreich verlangte einen Stopp des Referendums. Am wichtigsten sei jetzt, die Lage zu entspannen, einen Dialog einzuleiten und die Präsidentenwahl am 25. Mai vorzubereiten, erklärte Aussenminister Laurent Fabius.
Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow und Ministerpräsident Arseni Jazenjuk lehnten eine Beteiligung der Separatisten an Gesprächen etwa an einem Runden Tisch erneut ab. Beide bekannten sich am Donnerstagabend dennoch zu einem «nationalen Konsens» über Schlüsselfragen wie eine Dezentralisierung der Macht, eine Reform des Sicherheits- und Justizapparats sowie der Schutz der Minderheiten.
Überwachen soll dies nach ihren Vorstellungen die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der die Schweiz derzeit vorsteht.
US-Aussenminister John Kerry telefonierte erneut mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow und forderte eine Deeskalation, die Entwaffnung der Separatisten und eine Räumung besetzter Gebäude. Der Westen erwartet von Moskau, mässigend auf die Aktivisten einzuwirken, und droht mit schärferen Sanktionen.