Urteil wegen Bestechung eines Gaddafi-Sohns ist Grundsatzurteil

Mit der Verurteilung einen Geschäftsmannes wegen Bestechung eines Mitgliedes des Gaddafi-Clans hat das Bundesstrafgericht in den Augen der Bundesanwaltschaft (BA) ein Grundsatzurteil gefällt. Denn erstmals sprach ein Gericht im Zusammenhang mit einem Herrscherclan von einem «faktischen Amtsträger».

«Faktischer Amtsträger»: Saadi al-Gaddafi (Aufnahme von 2011) (Bild: sda)

Mit der Verurteilung einen Geschäftsmannes wegen Bestechung eines Mitgliedes des Gaddafi-Clans hat das Bundesstrafgericht in den Augen der Bundesanwaltschaft (BA) ein Grundsatzurteil gefällt. Denn erstmals sprach ein Gericht im Zusammenhang mit einem Herrscherclan von einem «faktischen Amtsträger».

Am 1. Oktober sprach das Bundesstrafgericht in Bellinzona einen tunesisch-kanadischen Geschäftsmann wegen Bestechung und Geldwäscherei schuldig und verurteilte ihn zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Der Kadermann der kanadischen Baufirma SNC Lavalin hatte, um Bauaufträge zu erhalten, Geld an Saadi al-Gaddafi bezahlt, einen Sohn des getöteten libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi.

«Faktischer Amtsträger»

In der am Montag veröffentlichten Urteilsbegründung sprach das Bundesstrafgericht von Saadi al-Gaddafi als einem «faktischen Amtsträger». Damit meinte es eine Person, die innerhalb eines Staatswesens zwar keine öffentliche Funktion ausübt, aber dennoch im Namen des Staates Entscheide fällt.

In den Augen die Bundesanwaltschaft (BA) sei dieser Richterspruch ein grosser Erfolg, teilte Sprecherin Jeannette Balmer in einer schriftlichen Stellungnahme mit. Sie bestätigte damit Angaben der Online-Ausgabe der Westschweizer Zeitung «Le Temps».

Um internationale Korruption wirksam zu bekämpfen, sei dieses Urteil zentral, schrieb die BA. Erstmals habe ein Gericht nämlich im Zusammenhang mit einem diktatorischen Regime festgehalten, dass Korruption sich auch an einen «faktischen Amtsträger» richten könne.

Diese Konstellation zeige sich typischerweise in Staaten, in denen die öffentliche Verwaltung lediglich Fassade sei und sich darauf beschränke, Entscheide der Herrscherfamilie und ihr nahestehenden Personen auszuführen. Bis anhin sei nicht klar gewesen, wie das Schweizer Strafrecht Zahlungen an solche Personen erfassen könne.

Beispielhafte Zusammenarbeit

Zum ersten Mal wurde mit dem Schuldspruch in der Schweiz ein Urteil im Zusammenhang mit Ereignissen des «Arabischen Frühlings» gefällt, so die Bundesanwaltschaft. Als beispielhaft bezeichnete sie die internationale Zusammenarbeit in dem Fall.

Einerseits hätten Vermögenswerte in der Höhe von fast 40 Mio. Franken in der Schweiz und in Frankreich beschlagnahmt werden können. Das erlaube es, die als Klägerin aufgetretene SNC Lavalin zu entschädigen. Anderseits hätten die Schweizer Behörden mit Amtsstellen aus Kanada, Frankreich, von den Bahamas, der Isle of Man, aus Luxemburg, Malta und Monaco zusammenarbeiten können und wertvolle Hilfe erhalten.

Der verurteilte tunesisch-kanadische Geschäftsmann wurde am 15. Oktober an Kanada ausgeliefert, wie ein Sprecher des Bundesamtes für Justiz bestätigte. Dort erwartet ihn ein weiteres Verfahren, wie der öffentlich-rechtliche kanadische Fernsehsender CBC anlässlich des Prozesses in Bellinzona berichtet hatte.

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