Der US-Geheimdienst hat einer Zeitung zufolge direkten Zugang zu den Computersystemen von neun der führenden Internet-Konzerne des Landes. Auf diese Weise greife er massenweise auf E-Mails, Fotos, Videos, Dokumente und Audio-Dateien zu.
Wie die «Washington Post» am Donnerstag berichtete, arbeiten die Unternehmen Microsoft, Yahoo, Google, Facebook, PalTalk, AOL, Skype, YouTube und Apple wissentlich als Teil des PRISM-Programms mit dem Nachrichtendienst NSA und der Bundespolizei FBI zusammen. In ersten Stellungnahmen wiesen mehrere der Konzerne den Vorwurf zurück, direkten Zugang zu ihren Servern zu gewähren.
Der Zeitung liegen nach eigenen Angaben Dokumente und PowerPoint-Vorlagen zu dem bislang streng geheimen Programm vor. Diese seien der Zeitung von einem Geheimdienstmitarbeiter zugespielt worden, der über die nach seiner Sicht grobe Verletzung der Privatsphäre der Nutzer entsetzt gewesen sei.
«Die können im wahrsten Sinne des Wortes sehen, wie Sie beim Tippen Ihre Gedanken ausformulieren», wurde der Insider zitiert. Wer als Kongress-Abgeordneter von dem Programm wisse, unterliege einer Schweigepflicht.
In US-Kreisen wurde die Existenz des Programms bestätigt. Ein hochrangiger Regierungsmitarbeiter sagte der Nachrichtenagentur Reuters, erfasst würden nur die Daten von Nicht-US-Bürgern, die ausserhalb des Landes lebten. Der Kongress habe das Programm jüngst «nach ausführlichen Anhörungen und Debatten» verlängert.
Jeder siebte Geheimdienstbericht beruht auf PRISM
Der Zeitung zufolge wurde PRISM 2007 unter Präsident George W. Bush ins Leben gerufen und von dessen Nachfolger Barack Obama ausgebaut. In den vergangenen sechs Jahren sei die Nutzung exponentiell gewachsen und inzwischen die Grundlage für jeden siebten Geheimdienstbericht.
Der Zugang zu den Servern stelle heute die umfangreichste Quelle für die täglichen Berichte des Präsidenten dar. Diese hätten im vergangenen Jahr in 1477 Einträgen PRISM-Erkenntnisse zitiert.
Microsoft habe 2007 als erster sogenannter «Partner im Privatsektor» am Programm teilgenommen, hiess es weiter. Apple verweigerte demnach fünf Jahre lang die Mitarbeit, bevor der Konzern auch beigetreten sei.
Zwar sei PalTalk ein deutlich kleinerer Dienst als die anderen. Er sei jedoch während des Arabischen Frühlings und des Bürgerkriegs in Syrien rege genutzt worden. Der Online-Speicherdienst DropBox solle «in kürze» dazustossen. Twitter war auf der Liste nicht vertreten.
Unternehmen dementieren Teilnahme
Die Regierung in Washington gab zu den Vorwürfen bisher noch keine Stellungnahme ab. In ersten Reaktionen erklärten Microsoft, Google, Apple, Facebook und Yahoo, man gewähre keiner offiziellen Stelle einen direkten Zugang zu seinen Servern.
Google teilte mit, der Regierung sei nie «eine Hintertür» geöffnet worden. Microsoft erklärte, man leiste nur Anweisungen folge, die sich auf «spezifische Nutzer oder identifizierende Merkmale» bezögen.
«Wir haben noch nie von PRISM gehört», sagte ein Apple-Sprecher. Wenn eine Regierungsstelle Zugang zu Nutzerdaten erhalten wolle, müsse sie eine richterliche Anordnung vorlegen. Auf die direkte Frage, ob man am NSA-FBI-Programm teilnehme, lehnte Apple eine weitergehende Stellungnahme ab.
Zweite Enthüllung
Der Bericht über das PRISM-Programm wurde nur Stunden nach der Enthüllung einer grossangelegten Sammlung von Telefon-Verbindungsdaten durch die US-Geheimdienste veröffentlicht. Obama stand schon vorher in der Kritik, weil sich seine Regierung heimlich Telefon-Daten von Journalisten der Nachrichtenagentur AP und zu E-Mails eines Fox-Fernsehreporters verschaffte.