Das Repräsentantenhaus in Washington hat für die Beendigung der massenhaften Sammlung von US-Telefonverbindungsdaten durch den Geheimdienst NSA gestimmt. Die Kongresskammer verabschiedete mit 303 zu 121 Stimmen eine erste Reform der umstrittenen Überwachungsprogramme.
Die Reform muss nun noch den Senat passieren. Der Gesetzesentwurf war vor der Abstimmung auf Druck des Weissen Hauses aber verwässert worden.
Der USA Freedom Act (Freiheitsgesetz) sieht vor, dass die Verbindungsdaten künftig bei den privaten US-Telefongesellschaften verbleiben. Um auf bestimmte Datensätze zugreifen zu können, müsste sich die NSA bei einem begründeten Verdacht einen Beschluss des geheimen Spezialgerichts Foreign Intelligence Surveillance Court besorgen.
Das Ende der Telefondatenspeicherung durch die NSA gehörte zu den zentralen Versprechen von US-Präsident Barack Obama für die Geheimdienstreform.
Bürgerrechtler kritisierten aber nun, dass ausgerechnet das Weisse Haus Änderungen in das Gesetz einfügen liess, die der NSA einen grösseren Spielraum geben. Die neuen Formulierungen ermöglichen demnach, dass der Geheimdienst mit einem einzigen Gerichtsbeschluss theoretisch Zugriff auf Daten von Millionen von US-Bürgern bekommen könnte.
Dokumente des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden haben seit Juni vergangenen Jahres den massiven Überwachungsapparat der NSA ans Licht gebracht.
Der Geheimdienst späht demnach nicht nur im grossen Stil die Telefon- und Internetkommunikation von Menschen rund um die Welt aus, sondern nahm über Jahre auch Spitzenpolitiker befreundeter Staaten wie die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ins Visier. An den Spähaktivitäten der NSA im Ausland ändert der USA Freedom Act nichts.
Deutscher NSA-Ausschuss will Reform
In Berlin plädierte der NSA-Untersuchungsausschuss unterdessen für eine Überprüfung der Gesetze zum Schutz vor Überwachung in Deutschland. Es mache durchaus Sinn, die Rechtsfragen einer Überprüfung zu unterziehen, sagte der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) nach der über vierstündigen Anhörung am Donnerstag.
Ähnlich äusserten sich die Vertreter der anderen Parteien, nachdem in der Anhörung auch die Auslandsaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BND) in ihrer heutigen Form kritisiert worden war.
Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, regte eine Verschärfung des Strafrechts an. Eine anlasslose Erfassung der Telekommunikationsdaten von Bürgern «ist nach geltendem deutschem Verfassungsrecht unzulässig», sagte Papier weiter.
Angriff auf das Fernmeldegeheimnis
Der Jurist Matthias Bäcker von der Universität Mannheim sagte zum BND, wenn dieser in einem anderem Staat geführte Kommunikation überwache, greife dabei das in Artikel 10 des Grundgesetzes gewährte Fernmeldegeheimnis. Daher sei die Praxis des BND unzulässig.
Der frühere Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem forderte eine Rechtsordnung, die den Bürgern die Nutzung ihrer Freiheitsrechte auch wirklich ermöglicht. Wenn das auf internationaler Ebene nicht möglich sei, müsse es «nationale Alleingänge» geben.
Beim Cloud-Computing müsse dafür gesorgt werden, «dass die grossen Datenmengen nicht im Ausland sitzen, sondern in einem Bereich, der von deutschem Recht kontrolliert werden kann». Er regte dafür eine «Europa-Cloud» an.
Zuckerberg soll als Zeuge aussagen
Vor der Anhörung der Rechtsexperten beschloss der Ausschuss in Berlin die Zeugenvernehmung von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sowie Vertretern von Microsoft, Google und Twitter. Die Firmenvertreter sollen Auskunft darüber geben, inwieweit sie von den US-Geheimdiensten für die Sammlung von Telekommunikationsdaten angezapft werden.
Unklar blieb am Donnerstag weiter, ob und unter welchen Umständen Edward Snowden vor dem Ausschuss aussagen wird.