Nach dem mutmasslichen Vorstoss russischer Schützenpanzer auf ukrainischen Boden haben die USA die Führung in Moskau mit Nachdruck vor Grenzverletzungen gewarnt. Jedes russische Vordringen auf ukrainisches Gebiet ohne Erlaubnis der Regierung in Kiew sei inakzeptabel.
Das sagte eine Sprecherin des Präsidialamtes in Washington am späten Freitagabend. Die USA seien sehr besorgt über das wiederholte russische Vordringen in die Ukraine, ergänzte sie. Dies sei eine gefährliche Provokation.
Sie räumte allerdings ein, dass die USA derzeit nicht bestätigen könnten, dass die ukrainische Armee einen russischen Militärkonvoi angegriffen und teilweise zerstört habe.
Aussenministertreffen in Berlin
Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel rief den russischen Präsidenten Wladimir Putin in einem Telefongespräch zur Deeskalation auf. Am Sonntag sollen der russische Aussenminister Sergej Lawrow und sein ukrainischer Amtskollege Pawlo Klimkin zu einem Gespräch in Berlin zusammentreffen.
Auch der französische Präsident François Hollande ermahnte Russland, die territoriale Integrität der Ukraine zu respektieren. Er äusserte die Hoffnung, dass das Aussenministertreffen in Berlin den Auftakt zu einem ukrainisch-russischen Friedensgipfel bilden könnte.
An dem Treffen am Sonntagnachmittag nehmen auch der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier und sein französischer Amtskollege Laurent Fabius teil.
Einigung über Hilfskonvoi erzielt
Russland und die Ukraine einigten sich derweil am Samstag darauf, wie es mit dem russischen Hilfskonvoi für die Ostukraine weitergehen soll. Der Verantwortliche für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), Pascal Cuttat, sagte, beide Regierungen hätten eine Einigung über die Inspektion des Konvois erzielt.
Kiew müsse noch grünes Licht für den Grenzübertritt geben, und das Rote Kreuz warte auf «Sicherheitsgarantien» für den Transport der Hilfsgüter auf ukrainischem Territorium, hiess es weiter.
Die etwa 280 Lastwagen, die nach Moskaus Angaben mit 1800 Tonnen Hilfsgütern beladen sind, standen am Samstag noch immer 30 Kilometer vor der ukrainischen Grenze in der Ortschaft Kamensk-Schachtinskij, wie eine Journalistin der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Seit Donnerstag hatte sich der Konvoi damit keinen Zentimeter weiterbewegt.
Kiew befürchtet, dass Russland in dem Konvoi Waffen für die Regierungsgegner in der Ostukraine schmuggeln könnte und bestand deshalb auf einer Inspektion der Ladung. Die ukrainischen Truppen kontrollieren mittlerweile das Gebiet nahe der Grossstadt Lugansk, durch das der Konvoi fahren soll.
Der Regierungschef der selbsternannten Volksrepubilk Donezk, Alexander Sachartschenko, warf der ukrainischen Führung vor, die Hilfe absichtlich hinauszuzögern. Die humanitäre Lage in Donezk sei schlimm.
Grossoffensive angekündigt
Die Separatisten in der Ostukraine kündigten eine Grossoffensive gegen die vorrückenden Regierungstruppen an. Es seien militärische Ausrüstung und neue, in Russland ausgebildete Kämpfer zur Verstärkung auf dem Weg, sagte ihr Anführer in Donezk, Alexander Sachartschenko.
Es handle sich um 150 gepanzerte Fahrzeuge, darunter 30 Panzer, sowie 1200 Kämpfer, die vier Monate lang in Russland ausgebildet worden seien, sagte er in einem am Samstag veröffentlichten Video.. Woher die gepanzerten Fahrzeuge stammen, sagte der Ministerpräsident der selbsternannten Volksrepublik Donezk nicht.
Am Freitag hatte das ukrainische Militär erklärt, es habe eine russische Militärkolonne gepanzerter Fahrzeuge im Osten der Ukraine angegriffen. Die Erklärung weckte die Furcht vor einer direkten militärischen Auseinandersetzung zwischen den Nachbarn. Die Regierung in Moskau bezeichnete die Berichte als «eine Art Fantasie».
Der gebürtige Ukrainer Sachartschenko übernahm vergangene Woche die Führungsrolle bei den Separatisten vom Russen Alexander Borodai.