Der Volksschauspieler Jörg Schneider sagte im Oktober 2014 von sich, mit Glück habe er noch ein Jahr zu leben. Die Diagnose seiner Ärzte: Leberkrebs. Jetzt schenkt er uns einen Film. Ausgerechnet über das freiwillige Sterben. Und Solothurn schenkt seinem Film den Publikumspreis.
Solothurn hat gewählt: Die Jury setzte mit «Spartiates» auf die hohe Schweizer Dokumentarfilm-Qualität. Das Publikum folgte seinem Herz: «Usfahrt Oerlike» machte das Rennen um den beliebtesten Film der Filmtage.
Jörg Schneider sagte im Oktober 2014 von sich, mit Glück habe er noch ein Jahr zu leben. Die Nachricht kam aus heiterem Himmel: Leberkrebs. Der grosse Volksschauspieler zog sich zurück. Jetzt danken wir seinem Lebensmut, und einem Team, das auf seine Arbeitslust vertraute. Er hat die Kraft gefunden, uns einen Film zu schenken. Ausgerechnet über das freiwillige Sterben.
Exit – keine einfache Lösung
«Usfahrt Oerlike» basiert auf dem Theaterstück «Exit» von Thomas Hostettler. Dass es dabei um den Freitod geht, will dessen Titel nicht verbergen. Das Theaterstück will auch sonst nichts geheimnisvoll machen. Dass sich das auch im Film in manch einer überdeutlichen dramaturgischen Wendung ausdrückt, macht manche Erklärung überflüssig, die der Film nicht gebraucht hätte, das Theaterstück vielleicht schon. Dennoch ist hier von einem filmischen Wunderwerk zu berichten, das – brav inszeniert – zwei schauspielerischen Wundertätern Raum schafft.
Zwei dicke Freunde. Willi und Hans. Gnädinger der eine. Schneider der andere. Tastenkünstler der eine. Holzbläser der andere. Gross der eine. Etwas kleiner der andere. Als Unterhaltungs-Duo sind Hans und Willi zusammen durch die Vorstädte gezogen. Im Ford Mustang tuckern sie jetzt – ins Altersheim: Hans ist krank. Mehr noch: Er will nicht mehr. Willi soll ihm das Gift besorgen.
Zwei fabelhafte Alt-Meister im Alt-Werden
Zu einfach die Fabel. Für einen Lehrfilm hätte sie gereicht. Aber dennoch geschieht das Fabelhafte. Mit Gnädinger und Schneider hat der Regisseur Paul Riniker zwei Schauspieler in genau jenem magischen Augenblick zusammengebracht, in dem sie für diese Geschichte schonungslos offen sich selber sein durften: Schneider wusste, dass seine Lebenszeit vielleicht für diesen Film nicht mehr reichen würde. Gnädinger wusste, dass Schneider es wusste. Und mit diesem Wissen sind die beiden einander vor der Kamera begegnet, um Willi und Hans über das Sterben jörgeln und nörgeln zu lassen.
Im Mustang ins Altersheim
Dass wir nun dabei sein dürfen, wie die beiden einander unbeholfen helfen, das ist das eigentlich Grossartige an diesem Film: Paul Riniker hat das in zurückhaltender Weise ermöglicht. Was Matthias Gnädingers Willi an Zärtlichkeit für seinen Freund Hans (Jörg Schneider) aufbringt, wird nur noch durch die Bärbeissigkeit, die Jörg Schneiders Hans dem Willi Matthias Gnädingers entgegenspielt, übertroffen: Als hätte Matthias mit dem ganzen Team dem Jörg seinen Wunsch erfüllen wollen. Der Hans zu sein zu diesem Willi. Und damit auf seine Art als Sterblicher unsterblich zu werden.
Nach all den Hauptrollen auf der Bühne (Schneider tut nichts lieber, als auf der Bühne zu stehen) und im Leben (er pflegt, bis es nicht mehr geht, seine Frau) konnte er nun doch endlich noch eine Hauptrolle im Film spielen. Jörg Schneider ist ganz selbstverständlich grossartig unspektakulär, mitten in einem Ensemble aus vielen bekannten Gesichtern, die ihm alle zu diesem Vermächtnis verhelfen, vor allem der aalglatte Sohn von Daniel Rohr.
Der Produzent Rudolf Santschi, in der Filmszene als Trüffelschwein und Förderer der Jungen bekannt, erlaubt uns für einmal eine Verbeugung vor zwei Grossen, die so selbstverständlich kleine Leute sind, als wären sie ganz sie selbst – unsterblich sterblich.
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Der Film läuft in den Pathé-Kinos und den Kult-Kinos.