Der neue österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen setzt ein Zeichen für Europa und steuert auf seiner ersten Auslandsreise Brüssel an. Er glaubt, dass ausgerechnet EU-Feinde ihm letztlich zur Wahl verholfen haben.
Van der Bellen bezeichnete das Brexit-Votum am Montag in Brüssel zwar als «tragische Fehlentscheidung der Mehrheit des britischen Volkes». Ein «paradoxes Resultat» davon sei aber, «dass in Österreich plötzlich ein ganz neues Bewusstsein über die Richtigkeit und die Notwendigkeit der Mitgliedschaft in der Europäischen Union entstanden» sei.
Dieses neue Bewusstsein könnte ihm letztlich auch bei seiner Wahl zum Bundespräsidenten geholfen haben, sagte der 73-Jährige. Im Wahlkampf mit dem rechtspopulistischen Kandidaten Norbert Hofer hatte die Frage über Österreichs Position in Europa eine wichtige Rolle gespielt.
Van der Bellen hatte sich stets klar europafreundlich positioniert. So führte ihn seine erste Auslandsreise nun auch zur EU-Kommission und zum EU-Ministerrat in Brüssel.
«Wir sind alle Teil der EU»
«Es war mir wichtig, als gewählter Bundespräsident der Republik Österreich meine erste Reise ausserhalb der österreichischen Grenzen nach Brüssel zu machen», sagte der ehemalige Grünen-Vorsitzende nach einem Treffen mit dem polnischen Ratspräsidenten Donald Tusk. Der Präsident merkte allerdings an, dass Brüssel nicht wirklich zum Ausland zähle: «Wir sind alle Teil der Europäischen Union».
Tusk drückte in Brüssel seine Bewunderung für Van der Bellen aus. «In einigen Kreisen ist es zur Mode geworden, gegen die EU zu sein», sagte er. Van der Bellens Sieg sei daher ein «Hoffnungszeichen für Millionen Europäer».
Üblicherweise führt der erste Staatsbesuch den österreichischen Bundespräsidenten in ein Nachbarland. Ein Besuch in einem solchen steht allerdings noch diese Woche an: Am Donnerstag wird Van der Bellen von Bundespräsidentin Doris Leuthard in Bern empfangen.
Kern: Rückkehr zu offenen Grenzen
Ein weiterer Schwerpunkt der gemeinsamen Beratungen zwischen Van der Bellen, Tusk und dem österreichischen Bundeskanzler Christian Kern war die Migration. Tusk sagte, die EU habe in diesem Bereich schon viel geschafft. Österreich sei auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise «im Auge des Sturms» gestanden.
Die EU konzentriere sich darauf, die illegale Migration von Libyen nach Italien zu reduzieren. Aber auch die östliche Mittelmeer-Route müsse in Zusammenarbeit mit der Türkei und anderen Partnern geschlossen bleiben.
Auch Kern erklärte, die EU habe in der Migrationskrise in den vergangenen Monaten bereits grosse Fortschritte erzielt. Die Zusammenarbeit mit Libyen sollte man zwar nicht überbewerten. Ziel sei es aber zu einem Europa der offenen Grenzen zurückzukehren. Die Grenzkontrollen «machen wir nicht aus Begeisterung», sagte er.
Ein weiteres Thema des Gesprächs war die Vorbereitung der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte des Jahres 2018. Kern kündigte an, soziale Fragen würden ein ganz wesentlicher Teil des österreichischen EU-Vorsitzes werden. Diese Politik sei am wenigsten weit in der EU, dabei gebe es eine Reihe von Verwerfungen auf den Arbeitsmärkten.