Vater soll seine zehn Monate alte Tochter erstickt haben

Am Bezirksgericht Zürich hat sich am Donnerstag ein Ehepaar verantworten müssen, das seine Kinder systematisch züchtigte. Dem Vater wird zudem vorgeworfen, für den Tod seiner zehn Wochen alten Tochter verantwortlich zu sein. Das Urteil wird nächsten Dienstag eröffnet.

Das Ehepaar hält seine früheren Erziehungsmethoden heute für falsch: Das Bezirksgericht Zürich eröffnet das Urteil am nächsten Dienstag. (Bild: sda)

Am Bezirksgericht Zürich hat sich am Donnerstag ein Ehepaar verantworten müssen, das seine Kinder systematisch züchtigte. Dem Vater wird zudem vorgeworfen, für den Tod seiner zehn Wochen alten Tochter verantwortlich zu sein. Das Urteil wird nächsten Dienstag eröffnet.

Die Schilderungen des Staatsanwaltes lassen nur erahnen, was die beiden Mädchen seit ihrer Geburt erleiden mussten: Schläge mit Holzkellen und Teppichklopfer, eiskalte Duschen und Ohrfeigen. Die ältere Tochter erhielt von ihrem Vater einmal einen so heftigen Schlag, dass sie auf den Badewannenrand stürzte und ein Zahn abbrach.

Eine Methode, um die Mädchen ruhigzustellen, war das «Zudecken»: Dabei wurden sie unter Sofakissen und Decken begraben, bis sie still waren. Gemäss Aussage des Vaters bei der Polizei hatten er und seine Frau aber immer sichergestellt, dass Luft zu den Kindern gelangte. Im Februar 2013 passierte es: Das zehn Wochen alte Baby erstickte.

Der Staatsanwalt fordert für den Vater wegen fahrlässiger Tötung eine Freiheitsstrafe von 3,5 Jahren, wobei er seinen ursprünglichen Antrag von 2 Jahren und 9 Monaten noch während des Prozesses erhöhte. Für den Fall, dass das Gericht den 39-jährigen Tauchlehrer sogar wegen eventualvorsätzlicher Tötung verurteilt, fordert er eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren.

«In mir hat eine Umkehr stattgefunden»

Auch die 41-jährige Frau soll bestraft werden: Sie ist zwar nicht direkt für den Tod des Babys verantwortlich, trug die Erziehungsmethoden aber mit und schlug auch selber zu. Der Staatsanwalt fordert für sie wegen Körperverletzung, Tätlichkeiten und Verletzung der Fürsorgepflicht eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten, bei einer Probezeit von zwei Jahren.

Das Paar ist tief gläubig. Für die Kinder wählten sie Namen aus dem Alten Testament. Während des Prozesses murmelte die Ehefrau, die mit wadenlangem Rock und weisser Bluse erschien, leise Gebete vor sich hin. Der Vater, der in Jeans und Lederjacke auftauchte, soll sich früher gemäss Staatsanwalt für einen Propheten gehalten haben – mit dem Ziel, möglichst viele neue Propheten zu zeugen.

Ob ihr Glauben etwas mit der Gewalt zu tun hat, also ob sie ihre Kinder aus religiösen Gründen züchtigten, blieb beim Prozess aber unbeantwortet. Sie verweigerten dazu die Aussage.

Beide halten die Gewalt heute für einen Fehler. «In mir hat eine Umkehr stattgefunden», sagte die Mutter. Heute wisse sie, dass sie auch anders auf ihre Kinder einwirken könne. Viel Gelegenheit hat sie dazu aber nicht: Das knapp vierjährige Mädchen, das die Erziehung überlebte, lebt bei einer Pflegefamilie.

Bisher nie Probleme mit dieser «Methode»

Als ihr Mann bereits in Haft war, gebar sie noch einen Sohn – auch er trägt einen biblischen Namen, auch er ist fremdplatziert. Pro Woche darf sie ihre Kinder zwei Stunden sehen. Keinen Kontakt hat hingegen der Vater. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) sprachen ein Verbot aus.

Involviert wurden die KESB erst nach dem Tod des Babys. Da nie eine Gefährdungsmeldung einging, hatten sie keinerlei Kenntnis von den Zuständen. Der Vater ist derzeit nicht gut auf die KESB zu sprechen, da sie ihm nicht zum Tod seiner Tochter kondoliert hätten.

Sein Mandant habe nicht damit rechnen müssen, dass das Baby sterbe, sagte der Anwalt des Vaters. Bis dann habe das Paar nie Probleme mit dieser Methode gehabt. Zudem sei nicht erwiesen, dass das «Zudecken» wirklich die Todesursache gewesen sei. Eine Strafe von 9 Monaten bedingt wegen Körperverletzung und Tätlichkeiten reiche aus.

Die Anwältin der Frau betonte, dass diese selber mit Gewalt erzogen worden sei und die Methoden deshalb als normal empfunden habe. «Sie dachte, dass sie ihre Kinder auf den richtigen Weg bringt.» Vier Monate bedingt wegen Körperverletzung und Tätlichkeiten seien angemessen.

Panische Angst vor Wasser

Am Prozess dabei war auch der Anwalt der Schwester, im Auftrag der KESB. Für die erlittene Gewalt forderte er von der Mutter eine Genugtuung von 3500 Franken, vom Vater 4000 Franken. Für den Verlust der Schwester soll ihr der Vater zudem 35’000 Franken bezahlen.

Das Mädchen dürfte durch die Erziehungsmethoden eine dauerhafte psychische Störung erlitten haben. Es hat heute panische Angst vor Wasser und fürchtet sich davor, zugedeckt zu werden.

Nächster Artikel