«Vaters Garten» – Ein Liechtiblick

Wenn Antrophologen dereinst die Frage beantwortet haben möchten, wie jene Generation gelebt hat, die im Kindesalter im Bus für einen Erwachsenen aufstehen und als Erwachsene wegen Kindern im Bus immer noch stehen mussten, werden sie in Peter Liechtis «Vaters Garten» Antworten finden. Peter Liechti ist vor ein paar Jahren, da war er selber schon mehr […]

Vaters Garten von Peter Liechti

Wenn Antrophologen dereinst die Frage beantwortet haben möchten, wie jene Generation gelebt hat, die im Kindesalter im Bus für einen Erwachsenen aufstehen und als Erwachsene wegen Kindern im Bus immer noch stehen mussten, werden sie in Peter Liechtis «Vaters Garten» Antworten finden.

Peter Liechti ist vor ein paar Jahren, da war er selber schon mehr als 50, an einer Strassenecke, im Menschengewühl, seinem Vater begegnet – wie einem Fremden. Da wurde dem Filmemacher klar, dass er sich von seinen Eltern ein Bild machen musste.
Entstanden ist dabei ein verspieltes Sittenbild jener Urgross-Generation, die vorgestern, als sie im Kindesalter war, im Bus für Erwachsene aufstehen musste und heute wieder steht – wegen den Kindern anderer.

Wie schutzlos Liechtis Suche nach dem Weltbild seiner Eltern ist, dokumentiert der Sohn zusätzlich in seinem eben erschienen Buch «Klartext» (Vexer-Verlag). Darin sind Fragen protokolliert, die nur einer stellen darf, den es schon ein Leben lang beschäftigt hat, was von seinen Eltern in ihm steckt. Dass Liechti kein junger Sohn ist, macht seine Gespräche umso versöhnlicher: Er gehört selber zur Grossvatergeneration. Er stellt seine Eltern nicht bloss. Er stellt sie bloss in Frage – wie sich selbst.

Liechti komponiert dabei einen abwechslungsreichen Klang der Bilder, indem er ausgewählte Dialoge seiner Eltern in ein magisches Puppenspiel versetzt, indem er seine Kamera zauberhafte Beleuchtungseffekte einfangen lässt und sie zu kleinen Taumtexten montiert. Liechti selber steht dabei nicht bloss beharrlich hinter der Kamera. Er ist die Kamera.

Wenn Antrophologen dereinst mit der Frage, wie wohl der einfache Mann in der Schweiz gedacht haben mag, auf Peter Liechtis «Vaters Garten» stossen, werden sie darin, wie wir, verblüffende Antworten finden. Einfache Leute erweisen sich als gar nicht so einfach zu befragen.

Wie offen der Sohn hierbei die Kameralinse hat, zeigt sich, wenn der Agnostiker Liechti seine gläubige Mutter und Schwester fragt, wo er denn ihrer Meinung nach hinkommen werde, nach dem Tod. Ins Paradies? Da schweigen die beiden, schauen sich an, holen Luft, schweigen, schauen. In diesem Augenblick sind plötzlich wir die Kamera und sitzen mitten in Peter Liechti drin.

Der Film läuft u.a. in Basel in den Kult-Kinos.

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