Veloparcours Güterstrasse

Auch im eher ereignisarmen Sommer brauchen Sie sich in Ihrem Quartier nicht zu langweilen. Fahren Sie zum Beispiel einfach mal durch die Güterstrasse. Das ist besser als jede Downhill-Strecke. Und man braucht nicht mal ein Mountainbike. In den Quartieren ist im Sommer ziemlich wenig los? Nehmen Sie es sportlich. Spiel, Spass und Spannung kann man […]

Die Güterstrasse, ein Veloparcours für Kenner und die, die es gefährlich mögen.

Auch im eher ereignisarmen Sommer brauchen Sie sich in Ihrem Quartier nicht zu langweilen. Fahren Sie zum Beispiel einfach mal durch die Güterstrasse. Das ist besser als jede Downhill-Strecke. Und man braucht nicht mal ein Mountainbike.

In den Quartieren ist im Sommer ziemlich wenig los? Nehmen Sie es sportlich. Spiel, Spass und Spannung kann man nämlich ganz einfach haben. Und zwar mit einem Veloausflug entlang der Güterstrasse. Das eignet sich gut, um ein wenig Adrenalin auszuschütten. Geschicklichkeit und Koordinationsvermögen fördert es auch. Bonuspunkte gibt es für die Einhaltung der Verkehrsregeln, auf eine Zeitnahme wird verzichtet.

Das Spiel heisst «Ich fahre mit dem Velo durch die Güterstrasse und breche mir…» und findet zur Hauptverkehrszeit statt.

Vorher, das wissen erfahrene Güterstrassen-Jockeys, ist es empfehlenswert, sich ein wenig warm zu machen. Also erst einmal eine kleine Runde durch wenig belebte Nebenstrassen drehen, bis man sicher ist, dass die Bremsen funktionieren und man selbst fahrtechnisch auf der Höhe ist.

Start: Heiliggeistplatz

Los geht der Güterstrassen-Parcours am Anfang des verkehrsintensiven Bereichs am Heiliggeistplatz neben der BKB-Filiale. Die auf den Asphalt gemalten Quadrate dienen als Startlinie.

Am besten überquert man den Heiliggeistplatz als Velofahrer, indem man absteigt und das Velo über den Zebrastreifen schiebt. Das ist hier aber nicht das Ziel. Eine Querung als Velofahrer erfordert höchste Aufmerksamkeit und blitzschnelle Reaktionen. Aber hey, ohne Herausforderung wäre das alles nichts, oder? Also los. 

Erste Etappe: Teilstück Tellplatz

Weiter geht es durch die Güterstrasse in Richtung Tellplatz. An diesem Strassenabschnitt ist noch vergleichsweise wenig los und es gibt keine einmündenden Strassen von rechts. Zum Eingewöhnen stehen aber bereits geparkte Fahrzeuge am Strassenrand, die des knappen Platzes wegen bündig parkieren müssen. Na, schon am Schwitzen? Willkommen am ersten erhöhten Bordstein der Tramhaltestelle Tellplatz.

Hier sind Geschicklichkeit, Balance und Koordinationsvermögen gefragt. Dem Bordstein darf man als Velofahrer nämlich nicht zu nahe kommen, weil sonst das Pedal daran hängenbleibt, was, weil sich die Tramschiene an der Haltestelle dem Bordstein unaufhaltsam nähert, schon den ersten Balanceakt erfordert.

Üben Sie hier schon mal, Hindernissen blitzschnell auszuweichen, und loten Sie den Raum zwischen Trottoir und Tramschiene aus.

Zweite Etappe: Bis zum Bahnhof SBB wird es anspruchsvoll

Nach dem Tellplatz geht es in die Vollen. Hier sind Aufmerksamkeit und schnelle Reaktion gefragt: Zu den am Strassenrand geparkten Fahrzeugen kommen Einmündungen von rechts sowie Fussgänger dazu, die, den Blick fest aufs Handy gerichtet, über die Strasse schlurfen.

Hier sind ein paar Tipps für Anfänger angebracht: Zebrastreifen werden überbewertet. Für einige Fussgänger sind diese ein Hinweis, die Strasse dort auf keinen Fall zu überqueren. Für Sie auf dem Velo erhöht dies jedoch den sportlichen Reiz. Bedenken Sie, dass ein Fussgänger, der sie gesehen hat, nicht zwingend intuitiv davon absieht, vor Ihnen die Strasse zu überqueren – falls Sie denn überhaupt Zeit zum Denken haben, versteht sich. Geklingel hört nebenbei eh kaum einer, Gebrüll gibt Punktabzug.

Sie merken, da sind alle Sinne gefragt. Ein Wort noch zum Rückspiegel: Nicht nur, dass Autofahrer annehmen, Velofahrer hätten jeweils einen. Der Rückspiegel ist nach dem Blinker eines der am wenigsten gebrauchten Fahrzeugteile. Erst recht dann, wenn das Auto mal steht. Wenn Sie nicht zu den Könnern gehören, achten Sie auf sich öffnende Autotüren oder springen Sie einfach darüber hinweg. Achten Sie weiter darauf, danach auf den Beinen zu landen. Applaus ignorieren Sie, das lenkt nur ab.

Locker auslaufen lassen bis zum Hotel Ibis

Mit Rechtsabbiegern werden Sie danach aber bestimmt locker fertig, bis Sie am Bahnhof SBB angekommen sind. Hier ist Durchhaltevermögen gefragt, der Rest ist mehr vom Gleichen. Hier ist meisterhafte Fahrzeugbeherrschung gefragt.

Anschliessend können Sie es locker angehen lassen und den Parcours nochmals Revue passieren lassen. Wer sich fit fühlt, dreht am Hotel Ibis um und fährt in der Gegenrichtung zurück. Und nicht vergessen, anschliessend ein Cool-Down zu absolvieren. Mental ist so ein Gundeli-Parcours sehr anstrengend. Anfänger unterschätzen das oft. 

Es ist zu voll auf der Güterstrasse

Sie fanden das lustig? Bestimmt. Übertrieben? Nur ein wenig. Dass man als Velofahrer mangels Knautschzone gefährlich lebt, ist eine Tatsache. Dass man oft nicht gut gesehen wird, auch.

Es gibt auch ausserhalb der Güterstrasse genügend Autofahrer, die einem als Velofahrer die Vorfahrt nehmen oder einen beim Rechtsabbiegen übersehen. Was dann hinterher zumeist die Schuld des Velofahrers ist, glaubt man den Beschimpfungen, die bei solchen Gelegenheiten meist ausgetauscht werden. In der Güterstrasse kommt noch eines hinzu: Es ist zu voll.

Und nein, das ist nicht übertrieben. Als ich das letzte Mal am Heiliggeistplatz stand, um dort Fotos für einen Artikel zu machen, wurde fast ein junger Mann angefahren, der gerade den Zebrastreifen überquerte. Unzählige Male habe ich als Velofahrer selbst vor sich öffnenden Autotüren gebremst.

«Oh, Äxgüsi», schallte es dann meist aus der halboffenen Tür, wenn ich gerade eine Vollbremsung hingelegt oder unter Vermeidung der Tramgleise irgendwie doch noch ausweichen konnte. Vorausgesetzt, es war niemand hinter oder neben mir. Kein Wunder, dass beim Anblick eines Autofahrers, der sich gerade mit dem Handy in der Hand aus dem Seitenfenster lehnt, bei mir der Adrenalinspiegel steigt.

Am Ende angekommen

Ich kann, offen gesagt, alle Eltern verstehen, die ihre Kinder am liebsten nur mit Rüstung, in Leuchtfarben, mit einer Baustellenlampe auf dem Kopf und einem Martinshorn versehen auf die Güterstrasse schicken möchte. Wobei der Nachwuchs dann vermutlich das Gefühl bekommt, die Güterstrasse sei ungefähr so etwas wie Hochgebirge.

Dafür, dass der Verkehrs-Overkill entlang der Güterstrasse ein bekanntes Leiden des Gundeldinger-Quartiers ist, passiert eigentlich doch eher wenig. Bisher bin ich immer lebendig am anderen Ende angekommen. Aber sicher gefühlt habe ich mich dabei nicht.

Übrigens: Sofern Sie die Güterstrasse nach unserer Rundfahrt überlebt haben, gratulieren wir von Herzen. Sie erhalten von uns hochwohllöblichst die Auszeichnung «Goldene Felge».

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