Zwei Tage nach der Premiere von «Belluscone» von Franco Maresco klagt «Forza Italia». Dabei ist schon ein heftigerer Film unterwegs: «La Trattativa» ist ein provozierender Schauspielerfilm – inszeniert von einer Frau.
Der italienische Film hat in diesem Jahr in Venedig so etwas wie seine Wiedergeburt erlebt: Qualität war in den letzten Jahren nicht immer die Hauptstärke des italienischen Teils des Festivals.
Jetzt löst sich die heimische Filmindustrie langsam aus der Erstarrung und zeigt Kampflaune: Zwei Tage nach der Premiere von «Belluscone» von Franco Maresco klagt «Forza Italia», weil der langjährige Berlusconi-Gefolgsmann Marcello Dell’Utri als der Mafia zugehörig gezeigt wird. Dabei ist schon ein heftigerer Film unterwegs: «La Trattativa» – ein provozierender Schauspielerfilm, inszeniert von einer Frau. Und die Serie «Gomorra» wird folgen: Der Regisseur Stefano Sollima hat in Venedig schon einmal einen Preis dafür erhalten.
Eine Schauspielertruppe entlarvt eine Regierung von Schauspielern
Nach den Jahrzehnten der «Clowns», wie man hier die Ägide unter Berlusconi bezeichnet, arbeitet man die jüngste Vergangenheit auf. Als Erstes hat sich die Clown-Gewerkschaft in Italien dagegen gewehrt, mit derartigen Politgaunern verglichen zu werden. Folgt bald die Schauspielergewerkschaft?
Die Schauspieler haben diese italienische Wiedergeburt mitermöglicht, zum Beispiel Peppino Mazzotta in «Anime Nere» von Francesco Munzi. Er wirft einen Blick auf die familiäre Ndrangheta. Oder Rosabell Laurenti Sellers in «I Nostri Ragazzi» von Ivano De Matteo. Er stellt die Frage nach dem Umgang mit einem Verbrecher in der eigenen Familie. «Belluscone» geht den schlagersingenden Berlusconi-Wählern nach. Und nun, zum Abschluss, «La Trattativa».
Die Regisseurin Sabina Guzzanti schliesst den Bogen zu den internationalen Filmen des Festivals, die die Frage stellten: Was ist Spiel? Was ist Wirklichkeit? Sabina Guzzanti ist mit der Fragestellung von Peter Bogdanovich und Alejandro González Iñárritu («Babel») und den Verstrickungen von Macht und Mafia nachgegangen.
Endlich: Eine Frau (Sabina Guzzanti, Mitte) begibt sich auf die Spuren der Mafia.
Citizen Berlusconi
Endlich hat sich auch eine Frau zum Thema Mafia zu Wort gemeldet, eine Frau, die eine Männertruppe inszeniert. Unter allen italienischen Filmen war sie die angriffigste und bewies: Die Diskussionen werden lockerer geführt. Frauen sehen die Machenschaften all dieser kriminellen Männer unvoreingenommener. Sie sind nicht auf Rache aus, sondern beherrschen die witzige Vernunft.
Sabina Guzzanti lässt eine Schauspielertruppe die Fakten um Berlusconis Aufstieg und die Verflechtungen seiner Partei «Forza Italia» mit der Mafia darstellen. Dazu hat sie das Theater-Ensemble in einer Produktionshalle versammelt und lässt Interviews nachspielen, Verhöre proben, Fakten für sich sprechen.
Im Wesentlichen hat bereits das Buch «Citizen Berlusconi» von Alexander Stille in den Neunzigern die Recherchen ermöglicht. Jetzt nimmt die Doku-Fiction im Film auf, was lange Gerücht war oder im Mediensumpf unterging.
Sabina Guzzanti durchleuchtet die Ermittlungen nach den Bombenanschlägen in Mailand, Rom, Neapel in den Neunzigerjahren neu. Sie zeigt, mit welcher Imfamie Scheintäter präsentiert wurden, Ermittler kaltgestellt und politische Karrieren ruiniert. Sie macht mit ihrem Spielstil in ihrem Film vor allem eines klar: Erst die Darstellung durch Schauspieler erhellt das damalige Schauspiel, dem Italien in den letzten Jahren ausgesetzt war, das aber von den Medien in den Händen Berlusconis perfekt inszeniert wurde.
Nicht mehr alle Mafiosi machen das Schauspiel mit
In der Zwischenzeit liegen Geständnisse von Mafiosi vor, die echt sind. Sie machen endlich klar: Die Ermittlungen zu den Morden an den Ermittlern Paolo Borsellino und Giovanni Falcone von damals waren schlechtes Schauspiel. Senatoren und Geschäftspartner von Berlusconi (z.B. der rechtskräftig verurteilte Mafiose Marcello Dell’Utri) werden von Guzzanti als das entlarvt, was sie immer waren: schlechte Schauspieler (wobei wohl demnächst auch die Schauspielergewerkschaft dagegen protestieren wird, mit dieser Gurkentruppe verglichen zu werden).
Guzzanti wendet mit ihrem Ensemble an, was sich in den ersten Filmen des Festivals angekündigt hatte: Die Arbeit der Schauspieler rückt wieder ins Zentrum der Filme, seit immer mehr Politiker sich als Schauspieler entpuppen. Nicht nur in Italien haben Schauspieler wieder etwas zu sagen. Sie fangen an, Ihre Regisseure zu finden. Schola, Fellini und Werthmüller sind noch weit. Pasolini naht wieder. Abel Ferrare widmet ihm einen der letzten Filme des Festivals.
Aber die anderen Jungen machen bereits Hoffnung. Und einer der ältesten Filmkritiker Italiens, Tatti Sanguineti, steht ihnen in «Belluscone» von Franco Maresco bei. Sie werden es brauchen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Guzzanti verfolgt werden wird. Es ist in Italien wieder spannend, Filme zu machen, die etwas zu sagen haben.